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Frage von Holger P. •

Frage an Gregor Gysi von Holger P. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi;

Sie sind Anwalt, im Rechtswesen bewandert und können mir daher sicher zwei Fragen in folgendem Zusammenhang beantworten:
Bei unlängst zu Ende gegangenem sogenannten NSU- Prozess werden - dem Vernehmen nach - einige Akten bzw. Informationen mit einer Sperrzeit von 120 Jahren (!) versehen.

Meine Fragen dazu:
- Es wurde Recht "Im Namen des Volkes" gesprochen. Das ist doch ein Widerspruch in sich, wenn dem Volk oder wem auch immer eine Akteneinsicht über eine solch langen Zeitraum verwehrt wird?
- Welche Gründe rechtfertigen eigentlich eine solch lange Sperrfrist für eine Akteneinsicht? Gibt es dazu irgendwelche rechtlichen Grundlagen oder ist dies nach Gutdünken festgelegt worden?

Mit freundlichen Grüßen

H. P.

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Sehr geehrter Herr P.,

Ihre Nachricht vom 17. Juli hat mich erreicht. Ich werde mich erkundigen und Ihnen dann erneut antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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Sehr geehrter Herr P.,

inzwischen konnte ich die Sperrfristen und die Umstände einigermaßen ermitteln. Kurz nach einer Verschlusssachenanweisung aus dem Innenministerium gab der damalige Verfassungsschutzpräsident des Landes Alexander Eisvogel am 28. April 2010 eine Dienstanweisung heraus. Ein Zusammenhang mit der NSU-Mordserie ist nicht ersichtlich. Diese flog erst am 4. November 2011 auf. In der Dienstanweisung heißt es, dass bei der Erstellung neuer Verschlusssachen vier Fallklassen zu nutzen seien „um der Gefahr der ungewollten vorzeitigen Offenlegung der Verschlusssachen vorzubeugen“. Diese vier Fallklassen sind mit Fristen verbunden, die in der Form so nur aus Hessen bekannt sind. Sie betragen 30, 50, 90 und die ewigen 120 Jahre. Als am 20. November 2014 der Bericht zur Aktenüberprüfung vorgelegt wurde, war er mit der Sperrfrist von 120 Jahren versehen. Der Leiter des hessischen Hauptstaatsarchivs Volker Eichler sagte dazu: „Ich kenne keinen vergleichbaren Fall.“ Weiter sagte er: „Das ist eine Frist, die völlig unüblich ist.“ Die Fragen hat der Verfassungsschutz nicht beantwortet.

Nun zur Begründung. Bei der Überprüfung der Akten zur Naziszene hat der Verfassungsschutz alles der 4. Kategorie (120 Jahre) zugeordnet. Es ginge ihm um Vorgänge, die das konkrete Verhältnis von V-Leuten mit dem Verfassungsschutz und der Art und Weise wie der Verfassungsschutz forscht und wirbt, aufzeigen. Damit seien Rückschlüsse über die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes möglich. Vor allen Dingen könne man ersehen, wie, wo und wann V-Leute angeworben werden. Deshalb müssen die Akten für die gesamte Lebensdauer der handelnden Personen und der nachfolgenden Generationen gesperrt werden. Nicht wenige Rechtsanwälte verstanden dies anders. Der Verfassungsschutz will einfach Ruhe in der Angelegenheit erzwingen. Es laufen schon gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Strafanzeigen. Außerdem wird gegen die Sperrung versucht, rechtlich vorzugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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