Frage an Gregor Gysi von Martin B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gysi,
da ich mich politisch stark interessiere und auch mit vielen Punkten der Partei "Die Linke" harmoniere denke ich, dass Sie die richtige Anlaufstelle für meine Frage sind. Seit mehreren Monaten diskutiere ich in Freundeskreisen die politische Ausrichtung der Parteien. Dabei ist uns aufgefallen, dass es schwierig ist sich für eine Partei zu entscheiden. Ich kann sowohl Punkte bei den Grünen, bei der SPD aber auch bei der AFD finden, die Ihre Existenzberechtigung haben und welche auch öffentlich diskutiert werden sollen. Denken Sie daher, dass eine Unterteilung der Lager in Links, Mitte, Rechts nicht eher einen kontraproduktiven Ausgangspunkt für eine erliche Debatte darstellt oder eine solche sogar vergiftet? Ist es nicht wichtiger Vorschläge unverfälscht und ohne Vorurteile entgegenzunehmen, zu Prüfen und frei zu diskutieren, ganz egal von welcher Seite diese unterbreitet werden? Alleine der Parteiname "DIe Linke" finde ich zum Beispiel unvorteilhaft gewählt, da viele Bürger mit "links" linksextremismus automatisch assoziieren und dies negativ konotiert ist. Medienberichte z.B über den G20 Gipfel (brennende Autos, Schwarzvermummte..usw. haben dieses "Frame" denken sogar noch verstärkt. So treffe ich immer wieder auf Bürger die sich durch solch verblendete Berichte automatisch von der Partei "Die Linke" distanzieren, obwohl sie nach Ihren Gedankengut mit einer Vielzahl der Parteipunkte übereinstimmen. Wie erreichen Sie solche Bürger?
Noch eine weitere Frage.
Professor Rainer Mausfeld spricht in einer Vortrag über Meinungsmanipulation von einer "illusionären" Demokratie in der wir uns befinden. Tatsächlich fühlle ich mich durch die 32 Kreuze ( 64 Linien ), die ich im Laufe eines durchschnittlichen Lebens als Wahlstimme abgeben kann, nicht demokratisiert. Denke Sie, dass dafür eine Reformation des Wahlrechts nötig ist? Ganz nach dem Motto: Wahlrecht für alle, aber man muss sich dies erst verdienen?
Viele Dank im Voraus,
M. B.
Sehr geehrter Herr B.,
Ihre Nachricht vom 1. Juni hat mich erreicht. Ihr Anliegen kann ich gut verstehen. Tatsächlich muss es auch parteiübergreifende Lösungen geben. Aber eine Partei, die wie die SPD, weder links noch rechts noch in der Mitte steht, macht sich auch Schritt für Schritt unglaubwürdiger, weil sie nicht berechenbar ist. Ich denke, die Unterschiede müssen schon klar formuliert werden, da die Parteien in einer Gesellschaft auch unterschiedliche Aufgaben haben.
Andererseits gebe ich Ihnen Recht, dass unser Wahlrecht unvollkommen ist. Ich habe hier schon Änderungsvorschläge unterbreitet.
Mit herzlichen Grüßen
Gregor Gysi