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Gregor Gysi
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Frage von Georg F. •

Frage an Gregor Gysi von Georg F. bezüglich Umwelt

Lieber Herr Gysi,
ich habe am 18.11.2013 eine Frage zum Problem des extrem niedrig besteuerten Flugverkehrs gestellt. (Ökosteuer, Treibstoff/Kerosinsteuer und bei Auslandreisen Mehrwertsteuer bezahlt nur die Bahn oder Fernbusse). http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-778-78153--f410525.html#q410525

Sie leiteten die Frage weiter, eine Antwort kam bisher aber noch nicht. Angesichts der horrend gestiegenen Vielfliegerei - wir erreichten mal 200 Millionen Abflüge aus Deutschland innerhalb einen Jahres - ist mir klar, daß eine Antwort schwierig sein kann. Sie wäre, wollte man die Fakten sehen und ändern, wohl kurzfristig unpopulär.

Nun ist die Klimaforschung hoch kompliziert. Die Folgen des Flugverkehrs sind jedoch dank der Forschung recht genau nachweisbar. Ständige Lobbyarbeit a la Maxeiner/Miersch, Lomborg und diverser konservativer Gruppen im Internet erschwert leider viel. Vom bisherigen Niedriglohn vieler ArbeiterInnen in dieser Branche zu schweigen, ist das Thema eines, für dessen Nichtbeachtung man uns möglicherweise in 50 Jahren hassen wird?

Von den Grünen kommt leider kaum noch ein Vorschlag. So wollte ich gern wissen, welche Gedanken die Linke sich zu diesem Thema macht. Klimafolgen des Vielfliegens, aber auch Zukunftsvisionen - wie könnten etwa auch Ärmere, wenn auch nicht 10 mal nach Mallorca übers Wochenende wegen "Winterdepression", bei endlich normal besteuertem Flugverkehr alle paar Jahre einen Flug bezahlen? Wie bei manchen Themen sieht man wohl, daß die reine Marktwirtschaft allein hier nicht funktioniert.

Im Grunde sind fast allen die Folgen exzessiver Vielfliegerei des reichen Teils der Menschheit bekannt - die Folgen werden eher die Ärmsten der Erde spüren - aber es geschieht bis auf eine kleine Pseudoabgabe - nichts. Was denkt denn - auch perspektivisch - die Linke, und Sie? Vielen Dank, Georg Fries

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Sehr geehrter Herr Fries,

es tut mir sehr leid, dass Sie bisher keine Antwort erhalten haben. Ich werde jetzt dringend darum bitten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrter Herr Fries,

herzlichen Dank für Ihre Nachfrage. Entschuldigen Sie bitte die späte Antwort.

Wir teilen Ihre Sorge wegen des Wachstums des Flugverkehrs und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Klima und den Lärm.

Der Luftverkehr muss eingeschränkt und zu einem großen Teil auf die Schiene verlagert werden. Die Subventionen für die Luftfahrtindustrie sollen aus unserer Sicht dafür abgeschafft und eine Kerosinsteuer eingeführt werden. DIE LINKE tritt für ein Nachtflugverbot ein. Ergänzend muss ein Flughafenkonzept erstellt werden, mit dem auf eine Konzentration von Flugverkehr auf Standorte, an denen möglichst wenige Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden, hingewirkt wird.

Der Verkehr auf der Schiene ist deutlich umweltfreundlicher als der Verkehr auf der Straße und in der Luft. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (zum Beispiel ermäßigte Mehrwertsteuer für den Bahnfernverkehr) wollen wir keine neuen Ausnahmeregelungen schaffen, sondern stattdessen Wettbewerbsgleichheit durch den Abbau bestehender Ausnahmen erreichen. Ungerecht ist, dass Schifffahrt und Luftfahrt von jedweder Energiesteuer befreit sind, hierdurch hat der Schienenverkehr Wettbewerbsnachteile. Wir wollen aber nicht die Mineralölsteuer für die Bahnen reduzieren, sondern stattdessen die Streichung der Privilegierung für den Flugverkehr und andere Verkehrsträger insbesondere durch die Einführung einer Kerosinsteuer. Generell sollte auch für die Bahn ein weiterer steuerlicher Anreiz bestehen, Energie einzusparen.

Außerdem wollen wir die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge abschaffen; für diese Vergünstigung des umweltschädlichsten Verkehrsmittels gibt es keinen Grund. Für Fernbusse, die ja überwiegend in direkter Konkurrenz zu Angeboten auf der Schiene stehen, wollen wir zur Schaffung von Wettbewerbsgleichheit eine Busmaut einführen.

Ihre Frage hinsichtlich der Flugmöglichkeiten für ärmere Haushalte lässt sich nicht so einfach beantworten. Wie Sie wissen, verfolgt die LINKE eine Politik zur Erhöhung der Einkommen gerade im Niedriglohnsektor und bei Transferbeziehern. Höhere Einkommen erhöhen auch die Spielräume, zu reisen. Gleichwohl muss das weitere Wachstum des Flugverkehrs aufgehalten werden. Wahrscheinlich würde es schon viel bringen, wenn der Geschäfts- und Lastverkehr in der Luft auf das wirklich notwendige Maß beschränkt würde. Zudem müssten sinnlose Wochenendtrips mit dem Flugzeug, wie die zur Party nach Barcelona oder London, eingedämmt werden. Beides wäre vielleicht durch die o.g. Verteuerung des Flugverkehrs zu erreichen - was aber wiederum Einkommen der Niedrigverdiener auffrisst. Ein sozialökologischer Teufelskreis.

Verbieten kann und soll man solche Kurzreisen ohnehin nicht. Ginge aber über die genannten Instrumente der Flugverkehr zurück, bliebe zumindest aus CO2-Sicht mehr Spielraum für "sinnvollere" private Reisen mit dem Flugzeug, denen ein längerer Aufenthalt zu Grunde liegt (und die trotzdem möglichst selten durchgeführt werden sollten). Am besten wäre es, wenn höhere Einkommen eher dafür genutzt werden würden, Reisen mit Bahn und Bus innerhalb Deutschlands und der Nachbarstaaten durchzuführen, bzw. mit dem Fahrrad oder zu Fuß in der Region unterwegs zu sein. Das wären gute Alternativen zu Fernreisen mit dem Flieger, die den o.g. Teufelskreis durchbrechen könnten. Aber auch dies kann man nicht anweisen, sondern nur durch vernünftige Rahmenbedingungen fördern.

Der Gesetzentwurf zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich, mit dem der Wettbewerb auf der Schiene gestärkt und die Effizienz im Eisenbahnsektor gesteigert werden sollte, ist übrigens im Vermittlungsverfahren zwischen Bund und Ländern in der vergangenen 17. Legislaturperiode gescheitert.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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