Frage an Gregor Gysi von Aras A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Dr. Gysi,
in meinem Umfeld gibt es bedingt durch meine ausländische Ehefrau viele Kontakte zu Ausländerinnen, welche Au-Pair sind oder waren.
Leider haben diese ausländischen Au-Pairs nur die Möglichkeit sich über eine private Krankenversicherung gegen Krankheit abzusichern. Jedoch kann man sich vorstellen, dass bei einem gesetzlichen Mindestgehalt eines Au-Pair von 260 € keine ausreichende gesundheitliche Vorsorge möglich ist, oder zumindest eine Behandlung auf Kosten der Gesundheit grob fahrlässig auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird und die Hoffnung besteht dass es "von alleine weggeht".
Wieso können Au-Pair nicht in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden? Au-Pair-Tätigkeit ist nur bis zum Alter von 27 gestattet. Also Menschen, die kaum gesundheitliche Probleme haben sollten.
Es sind auch Schwangerschaften möglich. Unter der Prämisse das das Kind einen deutschen Vater hat, ist die werdende Mutter mit dem Kind nicht in der gesetzlichen versichert. Eine Geburt kann schon ohne Komplikationen mehrere tausend Euro kosten. In der Regel wurde schon eine Eheschließung erwogen, u.a. um horrende Kosten zu vermeiden.
Nun möge man sich vorstellen, dass es Staaten mit unsicherem Urkundenwesen gibt. Selbst wenn das binationale Paar eine Eheschließung anstrebt, könnte es passieren, dass es erst nach der Geburt zur Möglichkeit der Eheschließung kommt. In dieser Zeit kann die Mutter des deutschen Kindes nicht in die Familienversicherung, aber das Kind schon. Man möge sich nach-geburtliche Komplikationen vorstellen, z.B. postpartale Depression. Dies führt zur unnötigen finanziellen Belastung der jungen Familie.
Eine Aufnahme der Au-Pair in die gesetzl. Studentenversicherung wäre mMn die beste Option.
Können Sie mir bitte Ihre Gedanken zu dieser Problematik mitteilen?
Können Sie abschätzen ob in dieser Legislaturperiode diese Problematik aufgegriffen wird?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit solidarischen Grüßen
Aras Abbasi
Sehr geehrter Herr Abbasi,
Ihre Nachricht vom 28. Oktober hat mich erreicht.
Zur Beantwortung habe ich sie an die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann weitergeleitet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi
Sehr geehrter Herr Abbasi,
herzlichen Dank für Ihre Mail. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir als Fraktion keine Rechtberatung durchführen können. Ich möchte Ihnen im Folgenden die Regelungen und Vereinbarungen zur Krankenversicherung von Au-pairs-Beschäftigten erläutern. Das „Europäische Abkommen über die Au-pair-Beschäftigung“ vom 24.11.1969 enthält Rahmenvorschriften über die Lebens- und Arbeitsbedingungen, den Sprachunterricht, die soziale Sicherung sowie über die Rechte und Pflichten der Gastfamilie und des Au-pairs. Dieses Abkommen wurde von der Bundesregierung damals und heute unterstützt. Es wurde aus verschiedenen Gründen von der Bundesrepublik Deutschland nicht formal bestätigt, dennoch wird im Allgemeinen auch in Deutschland danach verfahren. Dazu kommt das Gewohnheitsrecht, denn Au-pair-Beschäftigte gibt es schon seit vielen Jahren. Auf das Abkommen und auf die üblichen Gepflogenheiten können sich Au-pairs-Beschäftigte berufen. Nach Artikel 10 dieser Vereinbarung muss für Au-pairs-Beschäftigte in Deutschland eine Versicherung für den Fall der Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie eines Unfalls abgeschlossen werden. Alle Versicherungsbeiträge gehen voll zu Lasten der Familie, nicht des oder der Au-pairs-Beschäftigten. Au-pairs sollten ihre Gastfamilien/Arbeitgeber unbedingt darauf ansprechen und die Übernahme der Versicherungskosten einfordern. Ich weiß, dass das aus verschiedenen Gründen schwierig ist (Sprachbarrieren, Machtgefüge in den Gastfamilien, wenig Unterstützung für Au-pairs). Hier muss vor Ort Unterstützung organisiert werden.
Leider müssen meist private Versicherungen abgeschlossen werden. (Wie gesagt: die Kosten dafür tragen die Auftraggeber.) Der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung hängt nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungen vom 30.9./1.10.1968 vom Arbeitsentgelt ab. Für Au-pairs-Beschäftigte gelten die Regelungen für geringfügig Beschäftigte. Das heißt, erst ab einem Arbeitsentgelt (Taschengeld und Sachbezüge) über 450 € im Monat besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung. Au-pairs sind sozialversicherungsrechtlich keine Studentinnen und Studenten, sondern Beschäftigte.
DIE LINKE kämpft dafür, dass dieser Punkt geändert wird. Wir fordern, dass jede und jeder, der in Deutschland lebt, Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung hat. In unserem Modell einer solidarischen Gesundheitsversicherung sind alle Menschen versichert und alle zahlen Beiträge nach ihrem Einkommen. Wer ein geringes Einkommen hat, zahlt wenig, wer viel verdient, zahlt mehr und wer gar kein Einkommen hat, ist beitragsfrei versichert. Dass die solidarische Gesundheitsversicherung sogar zu fallenden Beiträgen führen würde, wurde durch eine wissenschaftliche Studie bewiesen.
Ich hoffe, die Antwort hilft Ihnen etwas weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi