Frage an Gregor Gysi von Maximilian B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Gysi
Mit Spannung und Freude habe ich den am Montag gesendeten Dreikampf angeschaut. Toll gemacht! An einer Stelle wurde ich jedoch nachdenklich. Sie rissen dabei an, wie und in welchen Schritten linke Realpolitik möglich wäre: Sie meinten, ehe der Staat zu der Politik kommen kann, in guten Zeiten Geld zu sparen und in schlechten Geld auszugeben, müsse Steuergerechtigkeit als Vorraussetzung erfüllt sein. Ich denke, da fehlt ein entscheidendes Glied in der Kette, an dem unter anderem Rotgrün gescheitert ist: Um Steuergerechtigkeit herzustellen, brauchen wir eine Neuordnung des Bankensystems, das laut Partieprogramm aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und staatlichen Großbanken bestehen soll. Warum erwähnen Sie das nicht? Ist es Ihnen zu verstörend? Aber wenn Sie es nicht sagen, behält Rainer Brüderle (auch in Augen der Wähler) recht: "Wenn Sie die Steuern so gestalten, kracht Ihnen die Wirtschaft zusammen, wird der Kredithahn zugedreht". Recht hat er! Nur zieht er die Konsequenz, die großen Konzerne und Eigentümer weiter zu entlasten, um sie milde zu stimmen. Damit Kredite weiterhin fließen. Glaube Sie, lieber Herr Gysi, dass wir einfach Steuern für Reiche erhöhen können, ohne das sich diese mit den Mitteln ihrer Macht rächen werden? Bitte, das ist genau die Naivität, die in gescheiterter Sozialdemokratie mündete. Der Moderator war nicht Sozialist genug um die passende Frage zu stellen. Doch das muss raus, wie sonst soll es glaubwürdig sein, wie wir guten Kreditfluss und Steuergerechtigkeit unter einen Hut bekommen wollen!
Wenn Sie das linke Konzept der Neuordnung der Banken bewusst nicht erwähnt haben, würde mich gern interessieren, warum. Für mich ist diese Selbstverschwiegenheit eine der Ursachen dafür, dass wir als reine Klientelpartei für "Arme" wahrgenommen werden, die keine echten Alternativen anbietet, sondern nur den Mindestlohn der SPD + 3 € fordert. Das muss doch nicht sein. Wie sehen Sie das?
Sehr geehrter Herr Blum,
Ihre Nachricht vom 5. September hat mich erreicht.
Es ist mir nicht möglich, in einem solchen Gespräch auf alle Facetten hinzuweisen. Permanent wird mir die Rede abgeschnitten, ich kann mich immer nur kurz zu bestimmten Dingen äußern. Selbstverständlich stehe ich zu unserem Bankenprojekt und habe es auch schon mehrfach vertreten. Es gibt auch noch weitere Schritte, die gegangen werden können, um das von Ihnen genannte Ziel zu erreichen. Zunächst muss die Steuerpflicht auch an die Staatsbürgerschaft der Leute gebunden werden wie in den USA. Ferner müssen Konzerne dort Steuern bezahlen, wo die Wertschöpfung stattfindet, wo die Dienstleistung erbracht wird und nicht dort, wo irgendein Vorsitzender ein halbes Büro gemietet hat. Steuerschlupflöcher schafft immer der Gesetzgeber. Sie müssen geschlossen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi