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Gregor Gysi
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Frage von Dietmar H. •

Frage an Gregor Gysi von Dietmar H. bezüglich Recht

sehr geehrter herr dr. gyisi,

in der zeitschrift konkret ausgabe 06/2012 mußte ich mit entsetzen lesen das das land bayern und die stadt landsberg 1988 die gräber von sieben (7) massenmördern des 3 reiches unter denkmalschutz gestellt hat und ergo seitdem die öffentliche hand,also der steuerzahler, für die grabppflege aufkommt.
diese fakten wurden unter dem titel "der 3 weltkrieg (8)" von herrn erich später in einem äußerst interessanten artikel in der monatsschrift "konkret" publiziert.
folgende frage hierzu meinerseits: besteht die möglichkeit über eine anfrage ihrer partei den sachverhalt dieses unverhältnismäßigen "denkmalschutzes" rückgängig zu machen?
für mich ist dieser "denkmalschutz" in keinster weise nachvollziehbar.

mit freundlichen grüßen,
dietmar holzheuer

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Sehr geehrter Herr Holzheuer,

Ihre Nachricht vom 18. Juli hat mich erreicht.
Zuständigkeitshalber habe ich sie an die Abgeordnete Dr. Lukrezia Jochimsen weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrter Herr Holzheuer,

Sie hatten sich am 18. Juli an meinen Kollegen Gregor Gysi mit einer Frage zum Denkmalschutz für Gräbern von Kriegsverbrechern in der Stadt Landsberg
Gewandt. Dr. Gregor Gysi hat diese Frage an ich weitergeleitet, Urlaubszeit bedingt komme ich leider erst jetzt dazu, darauf einzugehen.
Mein Büro recherchiert zu dem Vorgang und hat sich mit unseren bayrischen Kollegen in Verbindung gesetzt. Da wir vor Ort keine Landtagsfraktion und auch in Landsberg selber keine Stadtratsfraktion haben, ist es uns nicht möglich ein Anfrage in ihrem Sinne zu stellen.
Sobald ich weitergehende Informationen zur Verfügung habe, werde ich mich erneut bei Ihnen melden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Lukrezia Jochimsen

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Sehr geehrter Herr Holzheuer,

Herzlichen Dank für Ihre Frage vom 18.07.2012, die mir mein Kollege Gregor Gysi weiterleitete.
Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung, die parlamentarische Sommerpause ist Urlaubszeit und so kommen wir erst jetzt dazu Ihnen zu antworten.

Sie sprechen in Ihrer Zuschrift den Umstand an, dass die Stadt Landsberg die Gräber von Kriegsverbrechern der NS-Zeit hat unter Denkmalschutz stellen lassen und frage, ob Gräber dieser Art unter Denkmalschutz gestellt werden sollten.
Nun verhält es sich so, dass Tod und Grabstätten der genannten Männer stets umstritten waren. Gegen die Verurteilung und Hinrichtung der sieben Männer, protestierte im Sommer 1951 ein Teil der Landsberger Bevölkerung, jüdische Überlebende protestierten wiederum gegen diese Parteinahme für NS-Kriegsverbrecher. Hintergrund ist, dass das Landsberger Gefängnis ab dem Jahr 1946 von den Amerikanern als War Criminal Prison Landsberg (WCPL) betrieben wurde. Im WCPL wurden in den Jahren 1945 bis 1951 insgesamt 285 Menschen hingerichtet. Den weitaus größten Teil machten Exekutionen wegen NS- und Kriegsverbrechen aus, die restlichen Hinrichtungen erfolgten wegen Nachkriegsdelikten. Sofern die Hingerichteten nicht überführt wurden, bestattete man sie auf dem Friedhof der Spöttinger St. Ulrichskirche, der sich bis heute auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt befindet. Ihre Grabstätten befinden sich neben denen von Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, welche während der NS-Zeit im Landsberger Gefängnis zu Tode kamen und weiterer Verstorbener verschiedener Glaubensbekenntnisse. Seit 22. Januar 2003 ist dieser Friedhof vom Freistaat Bayern entwidmet. Für kontroverse Diskussionen sorgte die Entfernung der Namen auf den Grabkreuzen. Aufgrund dessen lassen sich die Grabstätten der Kriegsverbrecher nun nicht mehr von denen der Opfer unterscheiden. Dies bietet allerdings den Vorteil, dass der Ort nicht als Wallfahrtsstätte für Neonazis dienen kann.
Der Landsberger Stadtrat hat sich in der Sitzung am 29. Januar 2003 dafür ausgesprochen, den Friedhof in seiner jetzigen Form als Denkmal der Zeitgeschichte zu belassen. Gräber von NS-Opfern sind rechtlich besonders geschützt. Im Landsberger Gefängnis starben in den letzten Kriegsjahren viele Häftlinge an Hunger und mangelnder medizinischer Versorgung. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 17. Mai 1945 sind allein 91 Opfer nachgewiesen. Es sollen nach einer Zeugenaussage insgesamt Hunderte gewesen sein. Die Opfer wurden auf dem Gefängnisfriedhof beigesetzt. Nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) vom 1. 7. 1965 (BGBl. I S. 589) i. d. F. der Bekanntmachung vom 29. Januar 1993 (BGBl. I S. 178) haben die Länder die in ihrem Gebiet liegenden Gräber von NS-Opfern zu erhalten.
Zudem ist zu überlegen, ob es der Aufarbeitung unserer Vergangenheit dienen würde, die Namen der Täter auszulöschen. Ließe man Orte, wie diesen Friedhof und speziell hier die Grabstätten der Täter verfallen, würden die Täter entpersonalisiert. Die Kriegsverbrecher der NS-Zeit aber waren weder namenslos noch "monströs", es waren normale Menschen, die Verbrechen ungeahnten Ausmaßes begangen haben, mit der schweigenden Unterstützung eines Großteils der deutschen Bevölkerung. Um dies zu verstehen, ist es wichtig den einzelnen Menschen zu sehen und benennen zu können. Natürlich sollen diese Grabstätten aber nicht als Wallfahrtsorte dienen und sollten mit einer entsprechenden Erläuterung der begangenen Verbrechen versehen sein.

Ich möchte Sie abschließend auf folgendes Buch zum Thema hinweisen:
Thomas Raithel: Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944-1958). Eine Dokumentation im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, München 2009.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Lukrezia Jochimsen

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