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Frage von Thomas T. •

Frage an Gregor Gysi von Thomas T. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Herr Dr.Gysi,

Ihre Partei empfiehlt ALG2-Beziehern gegen aktuelle Bewilligungsbescheide Klage einzureichen.

Desweiteren haben Sie öffentlich Ihre Hilfe angeboten.

Wie sieht diese Hilfe aus? Inzwischen gibt es ja schon 2 abschlägige Urteile von Sozialgerichten zum verfassungswidrigen Regelsatz, da sie der Auffassung sind, solange das neue Gesetz noch nicht verabschiedet ist, gelte bestehendes Recht.

Demnach wäre eine Klage meiner Meinung nach nur sinnvoll, wenn ein neues Gesetz rechtsverbindlich ist.
Unabhängig davon, was die Vierparteienkoalition nun als Regelsatz festlegt, könnt man als Betroffener doch eigentlich nur Klage beim Sozialgericht erheben mit der Bitte dieses Gesetz vom BVG überprüfen zu lassen, mit der Begründung, dass die Vorgaben des BVG missachtet wurden bei der Ermittlung des Regelsatzes.
Alternativ käme wohl nur eine Verfassungsbeschwerde direkt beim BVG in Betracht.

Wo ist jetzt die Hilfe, bzw. Unterstützung der Linken?

Sorry, ich habe bisher nichts finden können. Weder Ratschläge zur Verfahrensweise, noch Musterklagen oder irgendwelche links zu entsprechender Rechtsberatung.

Ich würde es begrüßen von Ihnen eine ausführliche und hilfreiche Antwort zu bekommen.

Oder kann ich mich beruhigt zurücklehnen und Die Linke, mit ihren finanziellen Mitteln und fähigen Juristen bemüht sich darum, dass die Angelegenheit ganz schnell wieder beim BVG landet? ;-))

MFG

Thomas Thieme

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Sehr geehrter Herr Thieme,

wir haben keinesfalls sämtliche Bezieherinnen und Bezieher von ALG II aufgerufen, Klage einzureichen. Vielmehr unterstützen wir ein Pilotverfahren einer Frau mit einer 16-jährigen Tochter. Meines Erachtens irren die beiden Sozialgerichte. Denn das alte Gesetz ist seit dem 1. Januar 2011 durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr in Kraft. Ein neues Gesetz gibt es aber nicht. Entweder das Sozialgericht muss erklären, auf welcher Grundlage die Bezahlung erfolgt oder es muss diesbezüglich versuchen, eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zu erwirken. Genau das versuchen wir mit dem eingeleiteten Verfahren.

Darüber hinaus haben Sie dergestalt Recht, dass ein weiteres Pilotverfahren erforderlich ist, wenn es ein neues Gesetz gibt, das unserer Auffassung nach dem Grundgesetz widersprechen wird. Ein schnelles Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wäre nur möglich, wenn ein Viertel der Bundestagsabgeordneten eine solche Klage unterschreiben würden. Damit ist aber nicht zu rechnen. Also bliebe nur der Weg, dass eine Betroffene bzw. ein Betroffener Widerspruch einlegt, dann zum Sozialgericht geht und anregt, dass das Sozialgericht die Frage der Verfassungsgemäßigkeit des Gesetzes dem Bundesverfassungsgericht vorlegt. Aber es wird dauern, bis diesbezüglich eine Entscheidung vorliegt.

Wenn Sie gegen Ihren Bescheid nichts unternehmen, wird er bestandskräftig. Wenn das Bundesverfassungsgericht dann die Regelungen für verfassungswidrig einschätzt, bekommen Sie rückwirkend keine Korrektur. Allerdings für die Zukunft wirkte sich das dann auch für Sie aus.

Das müssen Sie allerdings selbst entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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