Frage an Gregor Gysi von Thomas S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage zur Bundespräsidentenwahl!
Nun interessiert mich noch Ihre Haltung zu Arbeitslosengeldern.
1) Als Alternative zu dem Hartz-Konzept liest man in Ihrem Programm etwas von einer "sanktionsfreien und bedarfsorientierten Grundsicherung". Was ist genau unter diesem Begriff zu verstehen? Worin besteht der Unterschied zu dem Hartz-Konzept?
2) Angenommen ein Arbeitsloser bekommt nun (bereits in Ihrem Grundsicherungssystem!) ein zumutbares Arbeitsangebot, das heißt einen richtigen Job bei dem er deutlich mehr verdienen würde als wenn er arbeitslos bleibt. Also keinen 1 € Job keine Leiharbeit etc. Angenommen, er lehnt dieses zumutbare Arbeitsangebot ab, wäre es dann nicht sozial gerecht, wenn seine Leistungen fortan geringer ausfallen als bei jemandem, der arbeitslos ist, aber ein Angebot jederzeit annehmen würde oder aufgrund einer schweren Krankheit nicht in der Lage ist zu arbeiten, aber es gerne will? Was soll sich denn der Arbeitsbereite denken, wenn einer, der sich auf Kosten der Allgemeinheit zurücklehnt, genau die gleichen Leistungen wie er erhält?
3) Die Linke ist ja meines Wissens dagegen, dass ein Arbeitsloser einen Job übernehmen sollte, der nicht seiner Qualifikation entspricht, und zwar auch dann, wenn bei dem neuen Job keine Probleme mit fehlender Qualifikation hat.
Angenommen, ein hochqualifizierter Mensch wird nun arbeitslos und bleibt dies auch, weil nur stellen für niedrigqualifizierte Menschen frei sind. Was denken sich denn nun die Niedrigqualifizierten? "Für unseren Job sind sich die hochqualifizierten zu schade"??? Ist nicht gerade d a s eine Klassengesellschaft?
4) Was halten Sie von folgendem Modell: Wer arbeitslos wird, bekommt unbefristet das jetzige ALG I ausgezahlt, bis der Arbeitslose ein zumutbares (wie unter 2) beschriebenes) Arbeitsangebot bekommt. Falls er dieses ablehnt, bekommt er fortan das jetzige ALG II (erhöht auf 420 € + höhere Kindersätze).
Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Schmidt,
zunächst ist das Arbeitslosengeld I wichtig. Es resultiert aus einer Versicherung und muss länger bezahlt werden, entsprechend den Jahren, in denen auch die Versicherungsleistung von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erbracht wurde.
Ich bin nicht für eine Gleichbehandlung von Menschen mit höchst unterschiedlicher Qualifikation hinsichtlich der Arbeitsangebote. Ich meine schon, dass die erworbene Qualifikation bei Arbeitsangeboten eine Rolle spielt.
Nach unserer Vorstellung soll es keinen Arbeitszwang geben. Sanktionsfrei und bedarfsorientiert ist eine Grundsicherung dann, wenn sie in ihrer Höhe stimmt und nicht von Bedingungen abhängig gemacht wird. Allerdings haben Sie in einem Punkt Recht. Da gibt es auch unterschiedliche Auffassungen bei uns. Die Mehrheit meint, dass ein Unterschied gemacht werden muss in Fällen, die Sie unter Punkt 2) beispielhaft aufführen. Allerdings soll dies nicht über Bestrafung erfolgen, sondern darüber, dass andere Begünstigungen erhalten. Auf diese muss die betreffende Person dann verzichten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi