Frage an Gregor Gysi von Niklas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
Diese Frage wurde zwar schon gestellt ich möchte allerdings noch ein paar Punkte hinzufügen bei denen ich mich über eine Stellungsnahme sehr freuen würde.
Warum hat sich die Linke bei der Bundespräsidenten-Wahl im 3. Wahlgang enthalten und in den ersten beiden eine Kandidatin aufgestellt und unterstützt deren Wahlniederlage vorherzusehen war?
1.) Die Ausrede: Zu spät angerufen...
Wieso hat die Linke nicht selbst angerufen?!? Mal im Ernst haben: Haben Sie geglaubt, dass Lukrezia Jochimsen eine Chance hatte die Wahl zu gewinnen?
2.) Anti-Gauck wegen dessen Vergangenheit in der DDR...
Wieso fällt es der Linken eigentlich so schwer eine kritische Stellungsnahme zur DDR zu formulieren? Die Kritik an einem Staat und dessen Regierungssystem bedeutet noch lange nicht eine Kritik an den Grundsätzen dieses Regierungsystem. Schliesslich kann man das Wahlsystem der Vereinigten Staaten auch kritisieren ohne die Demokratie im Allgemeinen infrage zu stellen. "Was wurde in der DDR falschgemacht?" bedeutet noch lange keine Kommunismuskritik.
3.) Ein Partei, ein Politiker sollte doch wohl nicht in erster Linie nicht für seine Partei und gegen die anderen Parteien sein. Man sollte mit anderen Parteien und Politikern für seine Ideale und Ideen kämpfen. Die Linke hat eine einmalige Gelegenheit verpasst zu zeigen dass man nicht nachtragend ist und dass man zusammenarbeiten kann. Ich denke dass die Linke hier nur eins gezeigt hat: Man kann genauso wenig zusammenarbeiten wie die Koalition. Die Folgen dieser Bundespräsidentenwahl sind für die Linke daher wahrscheinlich ein großer Wählerverlust.
Wo ist also der Sinn dieser Aktion?
Ich muss sagen ich war enttäuscht ungläubig als ich das Ergebnis und damit die Enthaltung der Linken gesehen hab.
Und ich denke es wird noch lange im Gedächtnis der wähler bleiben, dass sogar die NPD für den denke ich besseren Kandidaten war als die Linke
Hochachtungsvoll
Niklas Becker
Sehr geehrter Herr Becker,
selbstverständlich haben wir gewusst, dass Lukrezia Jochimsen keine Chance hat, zur Bundespräsidentin gewählt zu werden. Sie wusste das auch selbst. Es war uns aber wichtig, dass in den Wochen vor dem Wahltag es auch eine Stimme in den Medien gibt, die die linke Position vertritt. Das haben wir erreicht.
Selbstverständlich ist es nicht hinnehmbar, dass SPD und Grüne eine Entscheidung treffen und von der Linken verlangen hinterher zu rennen, ohne ein einziges Wort mit uns zu wechseln.Wir haben auch vorher angerufen und sie hinterließen zunächst den Eindruck, dies mit uns abzustimmen. Aber geschehen ist es nicht.
Andererseits haben Sie aber Recht, dass so etwas eine Wahl nicht verhindern darf. Gegen Herrn Gauck und Herrn Wulff sprechen gleichermaßen viele Umstände. Herr Gauck meint, dass die Entspannungspolitik der SPD falsch war. Herr Gauck hat in seinem Nachwort zum Schwarzbuch des Kommunismus geschrieben, dass er auch die Oder-Neiße-Grenze anzweifelt. Herr Gauck findet Hartz IV sozial gerecht und wir finden es falsch. Herr Gauck fand auch die Kriege in Jugoslawien und in Afghanistan begründet, die wir strikt ablehnen. Herr Gauck schätzt die politische Freiheit aber er sieht die Frage der sozialen Gerechtigkeit keineswegs als gleichwertig an.
Eine kritische Haltung zur DDR hat nicht nur Herr Gauck, die haben auch wir. Der Staatssozialismus ist zu Recht gescheitert, weil er weder freiheitlich noch demokratisch war und außerdem fehlte ihm auch die wirtschaftliche Produktivität.
Bei Herrn Gauck kam noch hinzu, dass er in dem Gespräch mit uns darauf verwies, dass er es richtig fände, dass der Bundesverfassungsschutz uns überwache.
Aus all den Gründen ergab sich für uns im 3. Wahlgang, weder Herrn Wulff noch Herrn Gauck zu wählen. Im übrigen haben die Wahlfrauen und Wahlmänner der Union und FDP allein ihren Kandidaten die absolute Mehrheit im 3. Wahlgang gegeben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi