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Gregor Gysi
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Frage von Björn Z. •

Frage an Gregor Gysi von Björn Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

1.) War es politsches Kalkül, die Wahl des Bundespräsidenten als Plattform zu (miss)brauchen, um der CDU/CSU bzw. der FDP, wie Herr Bodo Ramelow es ausdrückte, eine "schallernde Ohrfeige" zu verpassen?

2.) Ich hatte nach Ihrem Wortgefecht mit Herrn Werner Schulz während Ihrer Pressekonferenz den Eindruck, dass Sie sich in Ihrem Stolz verletzt fühlten - Verletzt durch die Entscheidung der SPD und den Grünen einen eigenen Präsidentschaftskandidaten zu stellen ohne vorher Rücksprache mit Ihnen zu halten. Ist dem so, wenn ja, weshalb sind Sie als langjähriger Politiker nicht in der Lage Persönliches in einer deratigen Situation zurück zu stecken?

3.) Weshalb haben Sie in der o.g. PK die Wahlfrauen und Wahlmänner indirekt aber doch deutlich dazu aufgrufen sich im 3. Wahlgang zu enthalten?

Danke und Gruß

Björn Zantopp

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Zantopp,

ich habe überhaupt nichts dagegen, dass der Bundesregierung eine "schallernde Ohrfeige" verpasst wird. Wenn SPD und Grüne dies vorgehabt hätten, hätten wir mit uns gemeinsam beraten, welche Kandidatin oder welchen Kandidaten wir aufstellen können, um erfolgreich zu sein, auch noch Stimmen von den Wahlfrauen und Wahlmännern von Union und FDP zu erreichen. Aber dieses Ziel hatten SPD und Grüne nicht. Ihr Ziel bestand darin, die Union, die FDP und uns gleichzeitig vorzuführen. Sie betrieben also parteitaktische Spielchen.

Durch Verletzung bin ich nicht von einer Wahl abzuhalten. Wenn sie nach meiner Auffassung politisch notwendig und richtig gewesen wäre, hätte ich sie auch entsprechend durchgeführt. Was mich bei Werner Schulz störte, war etwas anderes. Noch nie hat eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter unserer Fraktion eine Pressekonferenz einer Grünen oder eines Grünen gestört. Er meinte aber, meine Pressekonferenz stören zu dürfen. Ich habe die beiden Fraktionsvorsitzenden gefragt, ob dies jetzt üblich werden soll. Es gibt auch in meiner Fraktion genügend Leute, die gerne jede grüne Pressekonferenz stören. An sich ist das im Bundestag aber überhaupt nicht üblich. Ich erlebe es aber immerhin schon zum 2. Mal. Beim ersten 1. Mal war es aber noch eine CDU-Abgeordnete.

Gegen Gauck und Wulff sprechen viele Umstände. Beide sind für den Afghanistankrieg, den wir entschieden ablehnen. Beide unterstützen Agenda 2010 und halten Hartz IV für sozial gerecht, was wir unsozial und diskriminierend finden. Herr Gauck hat in unserer Fraktion ausdrücklich erklärt, dass er dafür ist, dass unsere Partei vom Verfassungsschutz überwacht wird. Aus dem beigefügte Artikel des Stern können Sie entnehmen, dass Herr Gauck im nachhinein auch die Entspannungspolitik der SPD kritisiert und sogar die Oder-Neiße-Grenze anzweifelt. Wie sollte ich den Mitgliedern meiner Partei, unseren Wählerinnen und Wählern erklären, weshalb wir gerade diesen Herrn Gauck wählen. Ebenso wenig hätte ich erklären können, weshalb wir Herrn Wulff wählen. Deshalb habe ich unseren Wahlfrauen und Wahlmännern geraten, sich der Stimme zu enthalten. Im übrigen war die Wahl aber freigegeben, zumal sie sowieso geheim erfolgte. Einige von uns haben Herrn Gauck gewählt, die Meisten haben sich der Stimme enthalten. Niemand von uns hat aber Herrn Wulff gewählt. Trotzdem bekam er die absolute Mehrheit im 3. Wahlgang, so dass nicht einmal unterstellt werden kann, dass wir ihn "indirekt" unterstützt hätten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gysi

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