Frage an Gregor Gysi von Jürgen T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
zuerst möchte ich Ihnen mein tiefstes Bedauern ausdrücken, weil es immer wieder verhindert wird, dass "Die Linke" so richtig zum Zuge kommt. Ich persönlich bin der Meinung, Die Linke ist die einzige Partei, die aus Deutschland wieder einen gerechten Sozialstaat machen kann. Allerdings bin ich auch etwas besorgt, weil ich anneheme, dass da irgendwie die "Bilderberger" ihre Finger im Spiel haben. Diese gibt es ja schon seit 1954, also lange vor EU und so weiter und sie halten jährlich ihre Konferenzen ab. Wenn man das Ganze verfolgt, gab es nach jeder Tagung der Bilderberger einschneidente Veränderungen.
Dazu habe ich zwei Fragen:
1. liege ich mit meiner Annahme richtig?
2. ist es richtig, dass der damalige Bundeskanzler eine Woche nach dieser Bilderberger Konferenz abtreten musste und Frau Merkel vier Wochen Später Kanzlerin wurde?
Wenn dem so ist, dann sind meines Erachtens alle Wahlen nur eine Farce, da ja sämtliche politischen Entscheitungen in dieser geheimen Konferenz getroffen werden, bei der ja ca. 100 der mächtigsten Personen teilnehmen.
Selbst der alljährliche G8-Gipfel stellt sich dann für mich als ein Täuschungsmanöver dar, der die Aufgabe hat die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf sich zu lenken, um die Bilderberger vor all zu viel Aufmerksamkeit zu schützen.
Dazu eine Frage:
bei den Bilderbergern haben unter anderem Frau Merkel, Herr Schröder, Herr J. Fischer, H. Kissinger, D. Rockefeller, eben die mächtigen Größen teilgenommen. Was ist der Sinn und Zweck dieser Bilderberger Konferenzen und weshalb wird diese vor der Bevölkerung geheim gehalten?
Für eine ehrliche Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Freundlichen Gruß, J. Trier
Sehr geehrter Herr Trier,
bei den Bilderberger Konferenzen handelt es sich um internationale informelle Treffen von führenden Persönlichkeiten aus der Politik und der Wirtschaft. Die Bedeutung dieser Treffen wird häufig überbewertet, bis hin zu Verschwörungstheorien, dass auf den Bilderberger Konferenzen entscheidende politische Weichenstellungen erfolgten.
Dass die Linke nicht zum Zuge kommt, liegt weniger an "Bilderberg", sondern an den konkurrierenden Parteien, die sich noch immer weigern, das Fünf-Parteien-System als Realität anzuerkennen, und es liegt am Großteil der Medien, die die Linke nicht sonderlich mögen. "Bilderberg" ist auch nicht für den Rücktritt von Gerhard Schröder im Jahre 2005 verantwortlich. Es war der Bundeskanzler höchstselbst, der nach der Niederlage von Rot-Grün bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen daraus die Konsequenz zog, Neuwahlen anzustreben, da die Union zusammen mit der FDP im Bundesrat die Politik der Schröder/Fischer-Regierung blockieren konnte.
Sie erwähnen die G-8-Gipfel, die seit der Finanzkrise um die G-20-Gipfel erweitert wurden. Hier handelt es sich um informelle Treffen der Regierungschefs der wichtigsten Industriestaaten, die im Vergleich zu "Bilderberg" öffentlicher und auch bedeutsamer sind, weil dort Verabredungen getroffen werden, die direkten Einfluss auf die nationalen Politiken haben. So kam beim letzten G-20-Gipfel in Toronto heraus, dass sich die 20 führenden Industriestaaten nicht auf eine gemeinsame Strategie zur Regulierung der Finanzmärkte einigen konnten. Gleichzeitig wurden Verabredungen über den Abbau der Staatsschulden getroffen, die einen Kompromiss darstellen zwischen Ländern, die ihre Schulden rascher abbauen wollen, auch um den Preis, die wirtschaftliche Erholung dadurch weider abzuwürgen, und Ländern, die größere Beiträge zur Konjunkturbelebung fordern, um durch ein höheres Wachstum die Schulden abzubauen.
Sinn und Zweck dieser Bilderberger Konferenzen ist ein rein informeller Meinungsaustausch von führenden und auch einflussreichen Persönlichkeiten über die zentralen politischen und wirtschaftlichen Probleme in der Welt. Die Funktion dieser Konferenzen besteht darin, dass dort über zentrale Probleme "tacheles" geredet werden kann, ohne dass das dort Besprochene gleich am nächsten Tag in den Zeitungen steht. Daher wird eine Öffentlichkeit auch nicht zugelassen. Aber selbst wenn auf diesen Treffen konkrete Verabredungen getroffen werden sollten, müssen sie letztlich in praktische Politik umgesetzt werden. Spätestens dann werden diese Verabredungen auch öffentlich, weil sie in entsprechende Gesetzgebungsverfahren und Entscheidungen in den nationalen Parlamenten münden.
"Bilderberg" ist also keine "Weltregierung", schon allein deshalb nicht, weil sich die personelle Zusammensetzung der teilnehmenden Personen permanent ändert und häufig auch wichtige Persönlichkeiten und Repräsentanten von einflussreichen Staaten fehlen, ohne die entscheidende Weichenstellungen gar nicht erfolgen können. "Bilderberg" und auch den G-8- und G-20-Gipfeln fehlt es gemeinsam an demokratischer Legitimation. Daher gehören die globalen Probleme in der Welt, von der Bekämpfung von Armut bis zur Regulierung der Finanzmärkte, von der Klimakatastrophe bis zur friedlichen Lösung von Konflikten, in die Institutionen der Vereinten Nationen. Die UNO ist das einzige weltweite Gremium, in dem alle Staaten der Welt vertreten sind und als Forum dazu legitimiert wären, die globalen Herausforderungen auch gemeinsam anzugehen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Liehmann
Persönlicher Referent