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Gregor Gysi
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Frage von Falk R. •

Frage an Gregor Gysi von Falk R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

die Wahl eines Bundespräsidenten steht nun an. Die von meiner Seite her überaus ungeliebte Schwarz-gelbe Koalition hat nun Ihren ach so tollen Wulff aufgestellt, die SPD und Grüne den Herrn Gauck. Die Linke würde sich für keinen der beiden Kandidaten entscheiden.

Warum entscheiden Sie so voreilig dass Sie keinen der beiden wählen würden wenn doch der Herr Gauck, den ich persönlich favorisiere und mir im Amt wünschen würde, in Ihren Augen das kleinere Übel sein dürfte? Außerdem könnte die Linke dem parteipolitischen Kalkühl der Merkel und Ihrer Macht einen rigorosen Strich durch die Rechnung machen. Sie würde an Macht und Einfluss verlieren, hätte noch immer Ihren Rivalen Wulff in der Partei und unser Bundespräsident (über die Überflüssigkeit des Amtes allgemein möchte ich mich gerade nicht auslassen) wäre jemand der die Freiheit und soziale Gerechtigkeit vertritt, im Gegensatz zu einem Wulff der sich eher der Wirtschaft verschreibt als den Menschen.

Spielen Sie mit diesem Gedanken, Herrn Gauck trotz Ihrer persönlichen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, zu wählen?

Beste Grüße

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Roeder,

vielen Dank für die Nachricht vom 7. Juni.

Zunächst besteht ein Problem darin, dass SPD und Grüne nicht mit uns reden, sondern meinen, uns einfach etwas vorsetzen zu können. Hätten wir miteinander gesprochen, hätte es auch eine Verständigungsmöglichkeit gegeben.
Ich teile auch die Befürchtung nicht, dass es Christian Wulf verhinderte, wenn wir Joachim Gauck wählten. Union und FDP haben eine ausreichende absolute Mehrheit und werden diese nutzen. Glauben Sie bitte nicht im Ernst, dass eine nennenswerte Zahl von Abgeordneten von Union und FDP bereit sein wird, die eigene Regierung deutlich zu schwächen. Bei Joachim Gauck besteht das Problem darin, dass er sich nur mit der politischen Freiheit, aber nicht mit der sozialen Freiheit beschäftigt. Egal ob es um die Agenda 2010, Hartz IV, Rente ab 67 oder andere Sozialkürzungen ging, niemals hat sich Herr Gauck dagegen geäußert, sondern ausdrücklich den so genannten Fürsorgestaat abgelehnt. Er befürwortet nicht nur die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan, sondern begrüßte auch den Irakkrieg. Im Kern findet er die Gesellschaft, so wie sie heute existiert, völlig in Ordnung. Das macht es für uns zu schwer, ihn zu wählen. Außerdem hat er unsere Partei als überflüssig bezeichnet und will sicherlich nicht von einer von ihm selbst als überflüssig empfundenen Partei gewählt werden.

Es war deshalb schon besser, dass wir eine eigene Kandidatin aufgestellt haben.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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