Frage an Gregor Gysi von Georg N. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Gysi,
alle Parteien sagen, dass Bildung außerordentlich wichtig sei. Mich interessiert besonders die Lage der Dozenten, die unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Deutsch beibringen.
Viele Dozenten müssen noch ergänzendes Hartz IV beantragen. Sie sind Freiberufler, obwohl sie praktisch nur einen Auftraggeber haben. Sie müssen sich selbst kranken- und rentenversichern, falls sie keinen Anspruch auf Hartz IV haben. Während der Ferien und bei Krankheit verdienen sie nichts. Das Durchschnittseinkommen liegt bei unter 1200 €. Wie man davon 500 € Rentenbeitrag bezahlen soll ist mir schleierhaft.
Die Rentenversicherung stellt weiterhin Forderungen und Nachforderungen an die "freiberuflichen" Dozenten, obwohl die Beiträge einfach nicht bezahlt werden können. Fazit: Entweder bleibt man im sicheren ALG II-Bezug, oder man macht sich strafbar, weil man seine Beiträge nicht bezahlen kann.
Da die Politik das Problem bisher nicht lösen konnte ist jetzt das Sozialgericht Hannover mit der Statusfeststellung einer solchen Dozentin betraut worden. Sie klagt jetzt gegen die Deutsche Rentenversicherung auf Anerkennung eines Angestelltenverhältnisses.
Meine Frage: wie will Ihre Partei darauf hinwirken, dass die Lehrenden, die im Auftrag des BAMF und der ARGE Schulungsmaßnahmen durchführen, rententechnisch den Angestellten gleichgestellt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Niedermüller
Sehr geehrter Herr Niedermüller,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 23. April, die ich zuständigkeitshalber an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Klaus Ernst mit der Bitte weitergeleitet habe, Ihnen eine ausführlichere Antwort zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi
Sehr geehrter Herr Niedermüller,
Vielen Dank für Ihre Frage, die mir von Gregor Gysi weitergeleitet wurde. Sie empören sich völlig zu Recht über die schlechte Bezahlung und die prekäre Beschäftigungssituation von Honorarlehrkräften in Integrationskursen. Es ist ein Skandal, dass sich die Bundesregierung öffentlich mit dem Integrationskursangebot brüstet und nicht zugleich die notwendigen Rahmenbedingungen für gerechte Arbeitsbedingungen und eine angemessene Entlohnung dieser wichtigen Arbeit schafft. DIE LINKE setzt sich konsequent gegen Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen und Lohndumping ein, und dies gilt selbstverständlich auch in diesem Fall.
Von Beginn an hat die Fraktion DIE LINKE die strukturellen Defizite des Integrationskurssystems kritisiert. Zuletzt forderten wir im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Bundesetat 2010 in einem Änderungsantrag - wie bereits die Jahre zuvor! - eine erhebliche Aufstockung der Mittel für Integrationskurse (um 56 Mio. Euro), um fachkundigen Lehrkräften eine angemessene Entlohnung - und damit auch eine hohe Kursqualität - zu sichern (vgl. BT-Drucksache 17/1081 und den ausführlich begründeten Änderungsantrag mit der Ausschussdrucksache 16(4)487). Die Regierungskoalition hat diese Forderungen abgelehnt. Aus Sicht der LINKEN genügt es auch nicht, ausreichende Mittel im Bundeshaushalt bereit zu stellen. Zugleich müssen verbindliche Vereinbarungen mit den Kursträgern über die Höhe der Bezahlung der Lehrkräfte und andere konkrete Vereinbarungen zur Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse getroffen werden. Das betrifft auch eine ordentliche, sozialversicherungspflichtige Anstellung mit einem festen Arbeitsvertrag und damit die Zahlung von Rentenbeiträgen.
Für die finanzielle Unterausstattung der Integrationskursträger ist ursächlich die damalige rot-grüne Bundesregierung verantwortlich. Die zu niedrig kalkulierte Kostenerstattungspauschale bei Einführung der Integrationskurse im Jahr 2005 führte dazu, dass die Lehrkräfte-Honorare um durchschnittlich zwei Euro auf 17 Euro pro Stunde sanken. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW fordert hingegen eine Mindest-Honorarentlohnung für Sprachdozentinnen und Dozenten in Höhe von 23,50 Euro pro Stunde. Solche Honorare sind von der derzeitigen Pauschale in Höhe von 2,35 Euro pro Person und Stunde nicht zu bezahlen, wie auch die Evaluation der Integrationskurse durch die Firma Ramboll-Management erbracht hat.
Auch die große Koalition sorgte nicht für eine angemessene Finanzierung der Integrationskurse. Auf eine Kleine Anfrage der LINKEN zu den unzumutbaren Arbeitsbedingungen in Integrationskursen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/13972) erklärte die vormalige Bundesregierung, dass sie in die „Vertragsfreiheit zwischen dem jeweiligen Träger und der Lehrkraft“ nicht eingreifen wolle.
Die jetzige Regierung hält hieran fest, wie DIE LINKE in einer erneuten Kleinen Anfrage zur andauernden unzureichenden Bezahlung der Lehrkräfte in Integrationskursen (BT-Drs. 17/1364) in der Vorbemerkung ausführlich dargelegt hat. Es ist für uns inakzeptabel, dass die wichtige Arbeit in den Integrationskursen, die über eine reine Sprachvermittlung weit hinausgeht, für einen „Hungerlohn“ geleistet werden soll, während die Bundesregierung landauf, landab mit der „Erfolgsgeschichte“ der Integrationskurse wirbt. Wir werden deshalb weiterhin Druck auf die Bundesregierung ausüben, das verspreche ich Ihnen!
Mit freundlichen Grüßen,
Klaus Ernst