Frage an Gregor Gysi von Peter I. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
bedauerlicherweise haben Sie die fruchtbaren Anfänge der Sozialen Marktwirtschaft in der damaligen BRD nicht direkt mit erlebt. Ludwig Erhard schrieb u.a. in seinem Buch "Wohlstand für Alle" folgende Sätze:
"daß ich es für abwegig halte und mich deshalb auch weigere, die hergebrachten Vorstellungen der früheren Einkommensgliederung neu aufleben zu lassen. So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag."
"Es bedeutet wirklich keine Übertreibung, wenn ich behaupte, daß ein auf Verbot gegründetes Kartellgesetz als das unentbehrliche „wirtschaftliche Grundgesetz“ zu gelten hat. Versagt der Staat auf diesem Felde, dann ist es auch bald um die „Soziale Marktwirtschaft“ geschehen."
Es ist offensichtlich, dass die Politik der letzten Jahrzehnte in dieser Beziehung versagt hat und wieder Machtkonstruktionen zugelassen hat, denen sie nunmehr defacto dienen muss.
Was kann und will die LINKE ggfs. tun, um der wachsenden sozialen Kluft, sowohl nach Oben, als auch nach Unten Einhalt zu gebieten ? Ist das einem EU-Staat nach Ratifizierung des Lissabon-Vertrages überhaupt noch möglich ?
Mittlerweile ist es doch so, dass durch die Einführung des größten Niedriglohnsektors in Europa, der natürlich in engem Zusammenhang mit der fortschreitenden Technisierung und Steigerung der Produktivität ein Zustand erreicht wurde, der vielen Menschen Angst einflößt.
Ein Wachstum, dass nur durch Produktivitätssteigerungen und Lohndumping erzielt wurde, kommt immer weniger Menschen zu Gute und diese nutzen obendrein die Steueroase Deutschland, um sich vor ihrer sozialen Verantwortung, auch noch unbehelligt, zu drücken.
Welche Maßnahmen können und werden Sie ergreifen, um diese Sachverhalte umzukehren ??
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre geschätzte Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Itzel
Sehr geehrter Herr Itzel,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 17. März.
Zunächst stimme ich Ihnen in vollem Umfange zu, dass es inzwischen eine solche wirtschaftliche Macht gibt, die die Politik dominiert. Wir brauchten also Politikerinnen und Politiker, die wieder den Mut hätten, sich gegen diese wirtschaftliche Macht zu positionieren. Die Mitglieder der Partei "DIE LINKE" hätten dazu den Willen und wohl auch die Kraft.
Soziale Gerechtigkeit kann man nicht ohne Steuergerechtigkeit herstellen. Es brauchte zusätzlich also auch den Mut, diese Steuergerechtigkeit zu fordern und durchzusetzen.
Die Produktivitätssteigerung darf nicht genutzt werden, um Lohndumping zu organisieren. Es wäre doch viel klüger, über Arbeitszeitverkürzung nachzudenken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi