Frage an Gregor Gysi von Angelika D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
nachdem ich über die Medien zur Kenntnis nehmen muss, dass die unabhängige Stiftung "IQwig" sich von ihrem unliebsamen Vorsitzenden wegen angeblicher Reisekostenungereimtheiten trennt, habe ich folgende Frage an Sie:
Wie setzt sich das Geld der Stiftung zusammen?
Ist ein Vertreter der Versicherten im Gremium? Wenn nicht, warum?
Kann der Versicherte überhaupt Einfluss nehmen? (Nicht nur durch die Krankenkassen)
Wie kann die Politik bzw. Sie als Opposition Einfluss nehmen?
Es kann doch nicht sein, dass wir tatenlos zusehen wie über unser Geld über unsere Köpfe hinweg entschieden wird!
Die Pharma-Industrie hat in unserem Land eine solche Übermacht, dass es einem schon schlecht wird wenn man nur daran denkt.
Auf eine hoffentlich positive Antwort freue ich mich!
A.Diebold
P.S. Reisekostenabrechnungen waren schon immer beliebte Mittel Beschäftigte los zu werden!
Sehr geehrte Frau Diebold,
Ihre Frage habe ich zuständigkeitshalber an die Abgeordnete Dr. Martina Bunge weitergeleitet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi
Sehr geehrte Frau Diebold,
vielen Dank für Ihre Frage.
Das IQWiG erhält das Geld größtenteils aus Pauschalen, die pro ambulantem Fall und pro Krankenhausfall abgeführt werden müssen. Dies ist im Sozialgesetzbuch V und dort im Paragraphen 139c geregelt. http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__139c.html
Ihre Haushaltsverhandlungen führt das IQWiG mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Im Stiftungsrat sitzen Vertreter der Ärzte, gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) und Krankenhausbetreiber zusammen ( http://iqge.info/index.158.html ). Einen Patientenvertreter gibt es nicht. Eine Einflussnahme von Patienten und Versicherten ist so nur bedingt über die GKV möglich.
Im Vorstand sitzen ebenfalls Ärzte, KH-Betreiber und GKV-Spitzenverband sowie ein Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ( http://iqge.info/index.157.html ).
Im Kuratorium sitzen neben Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, der Ärztekammer und vielen anderen Vertretern auch Patientenvertreter ( http://iqge.info/index.155.html ). Allerdings hat das Kuratorium nur beratende Funktion.
Das IQWiG dient vor allem der wissenschaftlichen Nutzen- und Kosten-Nutzenbewertung von therapeutischen Verfahren, also vorwiegend der Bewertung von Arzneimitteln, aber auch Medizintechnik etc. Das IQWiG erhält seine Aufträge vom G-BA. in diesem Gremium sind Patientenvertreter beratend beteiligt. Eine Beteiligung der Patientenvertreter mit Stimmrecht im G-BA wird selbst unter den Patientenvertretern unterschiedliche beurteilt.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Interessen derjenigen, für die das Gesundheitssystem vorwiegend gedacht ist - für die Patientinnen und Patienten - im Prozess der Bewertung von Therapieverfahren angemessen beteiligt sind, da diese am meisten an der Qualität von Leistungen interessiert sind. DIE LINKE setzt sich daher für eine Stärkung der Patientinnen- und Patientenbeteiligung ein.
Zum Einfluss der Politik auf das IQWiG:
Die Regierung sitzt wie bereits geschrieben im Vorstand. Sie kann also direkt Einfluss auf das IQWiG nehmen. Die Opposition hat keine Möglichkeiten direkt Einfluss auf das IQWiG zu nehmen. Grundsätzlich ist es gut so, dass der Einfluss der Politik auf das IQWiG gering ist. Das IQWiG soll wissenschaftlich und möglichst objektiv arbeiten und weniger interessensgeleitet. Im Falle von Prof. Sawicki hat man gesehen wohin es führt, wenn die Politik Einfluss nimmt. Denn durch die Politik sind Interessen hineingekommen, die sonst nur sehr gering vertreten wären: die Interessen der Pharmaindustrie. Der neue Gesundheitsminister besteuert zwar, dass die Ausrichtung des IQWiG auf eine neutrale Kosten-Nutzen Bewertung bestehen bleiben soll. Wir als Opposition werden ihm dabei sehr genau auf die Finger sehen.
Ihren Unmut über den Einfluss von Arzneimittelherstellern auf die Politik kann ich gut nachvollziehen. Besonders im Gesundheitssystem darf Politik nicht von der Wirtschaftsseite her gedacht und gelenkt werden. Denn im Gesundheitssystem kann es nicht darum gehen, Bedürfnisse nach Therapie zu fördern oder Arzneimittel als Konsumgut zu verkaufen. Im Gesundheitssystem darf nur ein Parameter den Umsatz von Arzneimitteln bestimmen: die optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten. Nur daraus darf sich der Umsatz ableiten. Leider folgt die Koalition dieser Maßgabe nicht. Sie hat einen ehemaligen Wirtschaftsminister zum Gesundheitsminister gemacht und der Koalitionsvertrag zeigt deutlich auf wohin die Reise geht: zur Förderung der Gesundheitswirtschaft.
Meine Fraktion DIE LINKE wird die Ausrichtung des Gesundheitssystems auf Wirtschaftswachstum und Profit nicht widerstandlos hinnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Bunge