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Gregor Gysi
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Frage von Jochen Z. •

Frage an Gregor Gysi von Jochen Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Hr. Gysi,
mit großem Interesse habe ich Ihre Antwort auf die Frage von Hr. Frost erwartet. Hierzu möchte ich gerne noch einige Fragen stellen.

1. Sie schreiben, dass ein öffentl. Interesse daran besteht, dass zum Wehrdienst nur Personen herangezogen werden, die auch dafür geeignet sind. Diese Personen verlieren dann während des Wehrdienstes und im Ernstfall viele Grundrechte (u.U. auch ihr Recht auf Leben), um für die Belange Derjenigen zu kämpfen, die nicht zur Verteidigung gezwungen werden. Wie lässt sich das mit der „Gleichheit vor dem Gesetz“ vereinbaren?

2. Die Musterungen finden häufig durch Ärztinnen und auch im Blickfeld anwesender Assistentinnen statt, was vom BMVg mit dem „forensischen Prinzip“ gerechtfertigt wird. Sie selbst erwähnen in Ihrer Antwort den §81d StPO, hier steht auch geschrieben, dass auf Wunsch eine Vertrauensperson zugelassen werden soll. Außerdem ist der Betroffene über seine Rechte aufzuklären. Warum werden hier Straftätern mehr Rechte gewährt als jungen Männern? Warum werden die Wehrpflichtigen im Glauben gelassen, dass sie alles dulden müssen was von ihnen verlangt wird und nicht darüber aufgeklärt, dass sie Untersuchungen verweigern können?

3. Ich denke, dass männl. Ärzte von den Untersuchungen der weibl. Bewerber ausgeschlossen sind ist an dieser Stelle nicht das Problem, m.E. ist das nachvollziehbar und korrekt. Vielmehr ist hier die Frage warum es dann normale Praxis ist, dass die Musterung der Männer durch Ärztinnen erfolgt? Warum gibt es hier nicht eine vergleichbare Regelung? Meines Wissens war früher laut ZDV 46 die Anwesenheit von Frauen bei der ärztl. Untersuchung nicht zulässig und wurde aus Gründen der Gleichberechtigung dahingehend geändert, dass auch Ärztinnen Musterungen durchführen dürfen. Wieso wird hier die Gleichberechtigung der Frau als wichtiger angesehen als das Recht des Mannes auf Schutz seiner Intimsphäre?

Für eine baldige Antwort wäre ich Ihnen dankbar

Mit freundlichen Grüßen
J. Ziegler

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Sehr geehrter Herr Ziegler,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 7.12.

Ich hatte Herrn Frost lediglich eine mir zugegangene Stellungnahme übersandt. Ich habe mir deshalb erlaubt, Ihre Fragen an den zuständigen Mitarbeiter weiterzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrter Herr Ziegler,

nachstehend erhalten Sie eine Antwort von dem zuständigen Mitarbeiter Herrn G.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

Sehr geehrter Herr Ziegler,

Zunächst ist festzuhalten, dass die Gefahr für Leib und Leben der Wehrpflichtigen kaum höher sein dürfte als für diejenigen, die nicht dazu herangezogen werden. In § 4 Wehrpflichtgesetz (WPflG) sind die Aufgaben und Einsatzgebiete des Wehrpflichtigen aufgelistet. Die "Hilfe im Ausland" und "Hilfe im Inland" nach §§ 6a, 6c, 6d WPflG bedürfen der schriftlichen Einwilligung des Wehrpflichtigen, die darüber hinaus widerrufen werden kann. In besondere Gefahrensituationen wird der Wehrpflichtige daher kaum gegen seinen Willen kommen. Darüber hinaus sprechen Sie mit Ihrer Frage das Thema "Wehrgerechtigkeit" an, also wie es mit dem Gleichheitssatz verfassungsrechtlich zu vereinbaren ist, dass nicht alle "Wehrtauglichen" zum Wehrdienst herangezogen werden. Diese Frage ist in der Tat nach aktuellen Einberufungsstatistiken erheblich umstritten. Bisher hat sich das BVerfG mit dieser Frage inhaltlich nicht auseinandergesetzt, da es in bemerkenswert sturer Weise zu dieser Frage bisher jede Vorlage eines Verwaltungsgerichtes, das verfassungsrechtliche Bedenken geäußert hat, als unzulässig aufgrund (vermeintlich) formeller Fehler zurückgewiesen hat (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 22.07.2009, - 2 BvL 3/09 -,=JuS 2009, 948-949).

Grundsätzlich ist für § 81d StPO und die dort geregelten Rechte zu beachten, dass es sich zu diesem Zeitpunkt mitnichten um "Straftäter" handelt bzw. handeln muss ! Diese Norm bezieht sich auf die körperliche Untersuchung von "Beschuldigten", § 81a StPO. Beschuldigte sind BürgerInnen, denen eine Straftat vorgeworfen wird, ohne dass diese bisher in einem Verfahren nachgewiesen wurde. Vor dem Grundsatz der Unschuldsvermutung sind daher Maßnahmen gegen Unschuldige nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Natürlich ist es bedauerlich, dass Wehrpflichtigen, die zumeist gerade erst die Stufe der Volljährigkeit erreicht haben, ihre Recht nicht hinreichend deutlich gemacht werden. Die Frage nach dem Warum lässt sich im Grunde jedoch einfach beantworten: weil es bisher noch kein entsprechendes Problembewusstsein oder den politischen Willen der regierungstragenden Kräfte gab, dies zu ändern.

Wie ich bereits zu der ursprünglichen Frage geantwortet habe, ist es meiner Einschätzung nach durchaus vertretbar, dass auch weibliche Ärzte von der Untersuchung männlicher Personen ausgeschlossen werden können und auf Wunsch müssen. Die Frage der Gleichberechtigung kann sich nur insoweit stellen, ob weibliche Ärzte überhaupt zu Untersuchungen zuzulassen sind - dies ist vor dem Verbot geschlechterspezifischer Diskriminierung selbstverständlich zu bejahen. Bei der Frage der Gleichberechtigung gibt es aber nur eine Abwägung zwischen den Personengruppen, denen etwas zugestanden oder verwehrt wird - mithin vorliegend um einen Vergleich männlicher und weiblicher Ärzte und ob zwischen diesen eine Differenzierung sachlich geboten ist. Anders stellt sich die vorliegende Problematik: Sobald der zu Untersuchende die Untersuchung durch anders geschlechtliches Personal verweigert, tritt dieses allgemeine Recht der ÄrztInnen vor dessen Persönlichkeitsrechten zurück. Warum dies bisher noch nich anders geregelt ist, lässt sich wie unter 2. beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
S. G.

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Sehr geehrter Herr Ziegler,

bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort auf Ihr Frage an Herrn Dr. Gysi und mich. Ich erlaube mir, die Fragen im Einzelnen wie folgt zu beantworten:

1. Gibt es im Bundestag bzw. der Regierung eine Person oder auch Administration, die über diesen Report Bescheid weiß?

- Die von Ihnen angesprochenen Korruptionsfälle haben sich vor meiner Zeit im Deutschen Bundestag ereignet, in den ich erst 2009 gewählt wurde. Ich kann Ihnen versichern, dass die Aussenpolitiker der Faktion Die Linke diese Fälle sehr ernst nehmen. Inwiefern dies für die Bundesregierung oder andere Personen im Deutschen Bundestag zutrifft, kann ich jedoch nicht zweifelsfrei beantworten.

2. Gibt es in Deutschland überhaupt jemand (Person oder Behörde) der darüber Bescheid weiß, wie deutsche Firmen im Rahmen dieses UN-Programmes betrogen wurden?

- Das zuständige Ministerium für Wirtschaft wurde mehrfach zur Kontrolle der Ereignisse aufgefordert - etwa durch die NGO "Transparency International". Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass deutsche Firmen eher auf der Täterseite standen denn auf der Opferseite.

3. Interessiert es den deutschen Staat, solche Betrügereien aufzudecken?

- Da meine Partei, Die Linke, keine Regierungsverantwortung auf Bundesebene trägt, bin ich für Ihre Anfrage nicht der beste Ansprechpartner. Verantwortlich ist, wie bereits erwähnt, das Wirtschaftsministerium. Dieses muss die Einhaltung der OECD-Leitsätze überwachen.
Als Abgeordneter des Bundestages versuche ich jedoch, meiner Pflicht zur parlamentarischen Kontrolle der Regierung nachzukommen - und kann Ihnen für meinen Teil versichern: Ja, ich es halte es für essentiell Korruption wirksam zu bekämpfen.

Generell sei mir jedoch die Bemerkung gestattet, dass Sanktionspolitik häufig nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt - und zum Teil das genaue Gegenteil bewirkt. Daher stellt meine Partei eine internationalistische Friedenspolitik in den Vordergrund, die auf Dialog statt Sanktion oder gar Krieg setzt.

Mit meinen besten Grüßen

Jan van Aken

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