Frage an Gregor Gysi von Wilhelm P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
in der Fränkischen Landeszeitung vom 29.10.2009 fand ich einen Artikel "Ein ungefährlicher Nebenjob im Kriegsgebiet. US-Army sucht Statisten für ihre realitätsnahe Übung - Sprachtest.... usw."
Aus diesem Artikel ist zu entnehmen, daß "...auf dem Truppenübungsplätzen der US-Army... In Hohenfels etwa oder in Grafenwöhr..." realitätsnahe Übungen stattfinden werden.
In der Ausgabe vom 31.10.2009 der Artikel " Klein Amerika mit Hotel und eigenem Einkaufsparadies" FLZ/NN 311009
Meine Fragen hierzu:
1. Wurden die Truppenübungsplätze und verschiedene andere Liegenschaften, wie z.B. in Ansbach Katterbach der US-Army übereignet oder nur zur Verfügung gestellt?
2. Wie vereinbart sich das Kriegs-Training und der ständige Lärm- und Umweltterror der US-Army unter dem die deutsche Bevölkerung massiv leidet, mit dem deutschen Grundgesetz, in dem doch die Aussage steht, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf?
3. Wurde nicht der Irak-Krieg als völkerrechtswidrig in Deutschland eingestuft?
Wieso ist es dann möglich, daß auf deutschem Boden von der US-Army für diesen und auch weitere Angriffkriege geübt wird?
4. Wie weit soll sich diese US-Army noch auf deutschen Boden ausbreiten dürfen, ohne daß die deutsche Politik dem Einhalt gebietet und für den endgültigen Abzug dieser fremden und aggressiven Army sorgt.
Mit freundlichen Grüssen
Wilhelm Pfänder
PS. Über Ihre Antwort und die Unterstützung gegen die Ausbreitung und den Lärm- und Umweltterror der US-Army währe ich Ihnen sehr dankbar.
Sehr geehrter Herr Pfänder,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 1.11., die ich zuständigkeitshalber an den Abgeordneten Paul Schäfer weitergeleitet habe. Von ihm werden Sie Antworten auf Ihre Fragen erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi
Sehr geehrter Herr Pfänder,
ich stimme Ihnen zu, dass für die Bevölkerung in der Nähe von US-Standorten und Übungsgeländen die Belastungen unerträgliche Ausmaße erreichen können. Dies ist z.B. am US-Standort bei Ansbach-Katterbach der Fall, wo Hubschrauber z.T. bis 1:30 Uhr in der Nacht Tiefflüge üben dürfen. In der Tat genießen die US-Streitkräfte in Deutschland weitreichende Sonderrechte, die sich sowohl aus dem Aufenthaltsgesetz, dem NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut ableiten. Diese Abkommen schränken in weiten Teile de facto die Kontrolle der Bundesregierung über die Aktivitäten der US-Streitkräfte ein, auch wenn formal sämtliche Befugnisse von der Bundesregierung freiwillig gewährt und wieder zurückgenommen werden können. Ich habe zu diesem Thema auch eine kurze Übersicht erstellt, die Sie auf meiner Homepage unter http://www.paulschaefer.info/cms/userfiles/File/us_stpkt.pdf herunterladen können.
Zu Recht sprechen Sie in diesem Zusammenhang den Angriff der USA auf den Irak 2003 an. Deutschland war damals eine wichtige Drehscheibe für diesen völkerrechtswidrigen Krieg und die bis heute andauernde Militärpräsenz: in Deutschland stationierte US-Streitkräfte wurden in den Irak verlegt, ein Großteil der Logistik wird über Flughäfen - auch zivile Flughäfen - in Deutschland abgewickelt. Die Bundesregierung hat dabei weggesehen und vor Gericht wurde diese Unterstützungsleistung nie gebracht. Lediglich im Fall des Soldaten Pfaff kam das Bundesverwaltungsgericht 2005 zu dem Urteil, dass seine Verweigerung aufgrund seiner Einschätzung zur Völkerrechtswidrigkeit des US Angriffs auf den Irak berechtigt war. Um sowohl der Bundesregierung als auch den in Deutschland stationierten NATO-Streitkräften wenigstens in Zukunft jegliche Schlupflöcher für solche Kriege zu schließen, hat DIE LINKE in der letzten Legislaturperiode sowohl ein Gutachten in Auftrag gegeben als auch einen Gesetzentwurf zur Verschärfung und Präzisierung des sich auf Art. 26 GG beziehenden §80 des Strafgesetzbuches eingebracht.
Insgesamt wird sich DIE LINKE auch weiterhin für die Schließung der US-Stützpunkte in Deutschland einsetzen - so wie es auch in unserem Bundestagswahlprogramm steht. Die transatlantischen Beziehungen müssen auf eine neue zivile Grundlage gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Schäfer