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Gregor Gysi
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Frage von Gudrun R. •

Frage an Gregor Gysi von Gudrun R. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

ich gehöre zu den Menschen in Deutschland, die nicht länger hinnehmen wollen, dass Menschen aufgrund von Fehlern des eigenen Rechtsanwaltes, einer falschen Rechtsauffassung des Richters oder gar aufgrund vorsätzlicher Rechtsbeugung um das ihnen zustehende Recht betrogen werden. Erst kürzlich stellte der Leiter der ZDF-Redaktion „Recht und Justiz“ innerhalb der Fernsehdokumentation bei Johannes B. Kerner fest, dass in Deutschland 70 000 Straftäter in Gefängnissen sitzen, davon aber 3 von Hundert unschuldig. Von der Grünen-Politikerin, Frau Christine Stahl wurde festgestellt, dass im Freistaat Bayern 2008 130 Menschen zu Unrecht in Haft saßen. Zu Unrecht in Haft bedeutet für die Betroffenen und dessen Familien unsagbares Leid; Leben, das jeder nur einmal besitzt, wurde vernichtet, vom finanziellen Ruin ganz zu schweigen.

Zwingen diese Tatsachen nicht geradezu eine Partei wie Ihre, sich umgehend über neue umfassende Strafrechtsreformen, nachzudenken?

Herr Wiefelspütz von der SPD findet auf diese Frage keine Antwort; Frau Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP hat lediglich Bedauern für diese Feststellung und sieht keinen Grund für Strafrechtsreformen.

Ich danke für Ihre Antwort

Gudrun Rödel

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Sehr geehrte Frau Rödel,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 7.9.
Ich habe sie an unseren Abgeordneten Wolfgang Neskovic mit der Bitte weitergeleitet, Ihnen eine ausführlichere Antwort zukommen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrte Frau Rödel,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die Gregor Gysi an mich weitergeleitet hat.

Ich kann Ihre Gefühlslage nachvollziehen. In unserem Rechtssystem mit seiner Unschuldsvermutung sollte an sich der Grundsatz gelten, "Lieber zehn Schuldige laufen lassen, als einen Unschuldigen zu verurteilen". Allein, es gibt strafrechtliche Fehlentscheidungen und es wird sie immer geben, solange Menschen über Menschen richten müssen. Wir benötigen zweifellos ein Strafrecht und auch den Strafvollzug. Weil die Gesellschaft das Strafrecht braucht und fehlbare Menschen als Richter über andere urteilen müssen, ist es unvermeidbar, dass auch einzelne Menschen immer wieder zu Unrecht eingesperrt werden. Das ist ein gesellschaftliches und moralisches Dilemma. Unschuldig Inhaftierte bezahlen dafür ganz persönlich den Preis. Sie schultern für die Gesellschaft eine schwere Last. Da ist es auch nur ein schwacher Trost, dass die Haftentschädigung von 11 auf 25 € pro Tag erhöht wurde. Wir haben uns hier für eine deutlich höhere Haftentschädigung eingesetzt. Ich verweise insoweit auf meinen Redebeitrag hierzu im Parlament ( http://www.wolfgang-neskovic.de/artikel/wert-freiheit ).

Deshalb sollten wir weiter daran arbeiten, das materielle Strafrecht zu entkriminalisieren und das strafrechtliche Sanktionensystem zu reformieren. Insbesondere im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität sind die Entkriminalisierungsbemühungen anzusetzen. Außerdem müssen die Gerichte in diesen Bereichen mehr alternative Sanktionsmöglichkeiten erhalten.

Überlegenswert ist in diesem Zusammenhang z.B., dass man die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung auch bei Geldstrafen einführt. Zur Diskussion steht auch ein „Geldstrafen-Ersetzungsmodell“. Danach könnte das Gericht dem Verurteilten gestatten, die Vollstreckung einer Geldstrafe u. a. durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden. Nach Untersuchungen des Max-Planck-Institutes sind außerhalb der BRD positive Erfahrungen mit diesem Rechtsinstitut gemacht worden. Es dürfte Aussetzungs-Modelle geben, die auch in Deutschland mit Erfolg angewendet werden können.

Daneben wäre eine öffentliche Debatte um eine materielle Entkriminalisierung wünschenswert. Wir müssen uns fragen, welche Straftatbestände unter kriminalpolitischen Aspekten überhaupt erforderlich sind.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Neškovic´

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