Frage an Gregor Gysi von Marco B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gysi,
können Sie mir erklären, warum, wenn jemand ein Recht hat, wie zum Beispiel ein Gehörloser, der nach dem LPGGesetz (Berlin) ein Anrecht auf Gehörlosengeld hat, er mit Anträgen und Formularen immer wieder um diese Unterstützung betteln muss? Komisch ist: wenn ich umgezogen bin, dann weiß die GEZ SOFORT, dass sie mir ein Brief schreiben muss um mich an meine GEZ-Gebühren zu erinnern. Der Landes-Pflege-Geld-Stelle muss man hingegen immer wieder neu erklären, dass man immer noch nicht hören kann und man auch immer noch im selben Haus wohnt.
Ich finde, diese Unehrlichkeit des Staates kommt genau hier zum Ausdruck: er erkennt in kürzester Zeit wo man Gelder holen kann, legt aber Hürden und Steine denen in den Weg, denen er eigentlich Rechte zuerkannt hat.
Warum kann es nicht sein: man geht zum Arzt (Amtsarzt), der stellt fest: GEHÖRLOS, tippt es in den Computer ein, und sofort wird JEDES RECHT, welches einem Gehörlosen zugestanden wird, aktiviert! Also keine GEZ und Gehörlosengeld! Und da man sich ja beim Einwohnermeldeamt angemeldet hatte, weis natürlich auch die Landespflegegeldstelle meines Wohnortes, dass sie zuständig ist.
Ist ein Kind geboren: automatisch wird festgestellt, dass das Kind ein Recht auf Sprachförderung hat und die gehörlosen Eltern einen Dolmetscher für den Elternabend brauchen um ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen zu können.
Warum geht das nicht?
Wenn sich eine Partei auf die Fahnen schreibt Kinderarmut zu bekämpfen, dann frage ich mich warum Familien nicht einfach anstandslos und ANTRAGSLOS unterstützt werden!!!
Mit freundlichen Grüßen.
Sehr geehrter Herr Brüggemann,
Ihre Nachricht vom 31.8. hat mich erreicht.
Ich stimme Ihnen völlig zu, dass die Gesetzgebung diesbezüglich einseitig orientiert ist. Bei bestimmten Leistungen an Betroffene müssen immer wieder neue Anträge gestellt werden. Ohne Anträge erfolgen auch keine Zahlungen. Ich behaupte sogar, dass bei Beschlüssen zu Sozialleistungen davon ausgegangen wird, dass ein bestimmter Anteil nicht gezahlt werden muss, weil die Betroffenen nicht rechtzeitig bestimmte Anträge stellen.
Auf jeden Fall verspreche ich Ihnen, dass wir uns in dem von Ihnen geschilderten Sinne einsetzen. Wenn ein Mensch gehörlos ist, muss er es leider sein ganzes Leben bleiben. Es gibt keinen Grund, ihn Anträge immer wieder neu stellen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi