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Frage von Jörg W. •

Frage an Gregor Gysi von Jörg W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

die Weltanschauung, nach der unsere Gesellschaft aufgebaut ist, geht doch, wie einem als rechtswissenschaftliches Gutachten ausgearbeiteten Vortrag auf dem 40. Deutschen Juristentag 1953 zu entnehmen ist, von dem unrealistischen Menschenbild aus, dass wegen der im Grunde edlen menschlichen Natur das demokratische Prinzip ausreichend sei, um Machtmissbrauch von Herrschenden zu verhindern, weil diese ja verpflichtet wären, sich an Verfassung, Gesetz und Recht zu halten (vgl. http://www.gewaltenteilung.de/demokratieprinzip.htm ). Soll diese unrealistische Weltanschauung und die danach ausgerichteten gesellschaftlichen Strukturen aufrecht erhalten bleiben und sollen die Menschen immer weiter ihr Leben danach ausrichten und trotz gegenteiliger Erfahrungen glauben, dass Herrschende keinen Machmissbrauch durchführen und es auch keinen Zusammenhalt unter Herrschenden gibt?
Das menschliche Verhalten wurde in der DDR und wird offenbar bei allen Gesellschaftsformen nicht berücksichtigt, wodurch Bürgerrechte zu kurz kommen.
Wie Sie vielleicht wissen und auch z.B. der Anwaltswoche Nr. 16/2005 zu entnehmen ist, ist das Unbehagen der Anwaltschaft an der Rechtsentwicklung weit verbreitet. Z.B. läuft nach der Anwaltswoche Nr. 16/2005 die Gehörsrüge (§ 321a ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG) in der Praxis leer. Derartige Rechtsentwicklungen mit einer „doppelten Moral“ hebeln Grundrechte aus und dürften Auswirkungen der von den Konstrukteuren unserer Gesellschaftsform vertretenen fehlerhaften Weltanschauung sein.
Was halten Sie davon, die Wissenschaft, insbesondere die Verhaltensforschung einzuschalten, um nach Strukturen zu suchen, die einem realistischeren Menschenbild entsprechen und nachteiligen Verhaltensweisen entgegenwirken können?

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Wende

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wende,

Ihre Nachricht vom 16. Mai hat mich erreicht. Sämtliche Wissenschaften sind für die weitere Entwicklung der Gesellschaft wichtig. Das gilt auch für die Verhaltensforschung. Trotzdem muss das Primat der Politik und auch des Rechts erhalten bleiben, obwohl immer wieder rechtliche Bestimmungen ins Leere laufen. Dabei scheint es mir auch wichtig zu sein, von einem positiven Menschenbild im Prinzip auszugehen, aber sämtliche negativen Verhaltensweisen niemals auszuschließen. Wenn demokratische Kontrolle einschließlich Medienkontrolle funktioniert, können auch Auswüchse in der Politik verhindert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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