Frage an Gregor Amann von Walter S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Amann,
vielen Dank für Ihre umgehende Beantwortung meiner Anfrage in Sachen Bürgergeld. Da u.a. das renommierte Hamburgische WeltWirtschafts Institut in einer Studie titelte "Das Grundeinkommen in Deutschland ist volkswirtschaftlich effizient und finanzierbar", befürchte ich, daß die SPD z.B. von den LINKEN, die das propagieren, noch weiter geschädigt wird. Denn der Grundgedanke ist ja in mehrfacher Hinsich verführerisch. Wie soll die SPD dagegenhalten?
Sehr geehrter Herr Schmidt,
in meiner Antwort auf Ihre erste Frage zu diesem Thema wies ich bereits darauf hin, dass mit dem Begriff "Bürgergeld" bzw. "Bedingungsloses Grundeinkommen" sehr unterschiedliche Konzepte und Modelle bezeichnet werden. Beispielsweise hat das vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) vertretene Modell, das eine neoliberale Ausrichtung hat, kaum etwas mit dem der Linkspartei zu tun (die Sie aber in ihrer Frage miteinander verbinden). Die Kehrseite des HWWI-Modell eines Grundeinkommens ist die damit verknüpfte völlige Deregulierung der Arbeitsmarktpolitik mit einer kompletten Abschaffung von Kündigungsschutz, Flächentarifverträgen und Mindestlöhnen. Laut dem Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge wäre dies "in Wirklichkeit ein wahres Paradies für Unternehmer, in dem Arbeitnehmer wenig Rechte und Gewerkschaften keine (Gegen-)Macht mehr hätten". Finanziert werden soll das HWWI-Grundeinkommen durch eine "flat tax" (Einheitssteuer) um die 50% (je nach Höhe des ausgezahlten "Grundeinkommens"). Ich persönlich halte weder etwas von einer einheitlichen Einkommenssteuer (wie sie auch von Prof. Kirchhof (CDU) im letzten Bundestagswahlkampf propagiert wurde) noch von der vom HWWI angestrebten Deregulierung des Arbeitsmarkts.
Aber auch "linke" Konzepte eines "Grundeinkommens" sind m.E. wenig überzeugend, wenn man sich einmal kritisch mit den Details und den sich daraus ergebenden Problemen beschäftigt. Natürlich ist das "Bürgergeld" auf den ersten Blick eine sehr verlockende Idee, aber wie viele verlockende Utopien hält auch diese einer Realitätsüberprüfung nicht stand, wenn man sie konsequent zu Ende denkt und sich dabei mit allen auftretenden Detailfragen und Konsequenzen beschäftigt. Abgeordnetenwatch scheint mir nicht das geeignete Medium zu sein, um dies ausführlich zu diskutieren; aber im Internet finden Sie dazu unzählige Aufsätze und Erörterungen. Mich persönlich haben insbesondere die Argumente von Julian Nida-Rümelin, Eberhard Eichenhofer, Horst Siebert und Christoph Buttwerwegge davon überzeugt, dass die Idee eines "bedingungslosen Grundeinkommens" nichts mehr als eine sozialromantische Illusion ist. Und ich teile dabei die Meinung des französischen Soziologen Robert Castel: "Aber manche Utopien sind gefährlich, weil sie von der Suche nach realistischeren Alternativen ablenken."
Mit freundlichen Grüßen,
Gregor Amann, MdB