Frage an Gregor Amann von Martin M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Amann,
nachdem Sie den Bankenrettungsmaßnahmen zugestimmt haben, bitte ich Sie um eine Erklärung, weshalb die Höhe des deutschen Rettungsschirmes runde 500 Mrd. Euro beträgt. Wenn man den Wechselkurs Dollar-Euro berücksichtigt, entspricht dieser Betrag fast genau den 700 Mrd. Dollar des US-Amerikanischen Paketes. Müssen also die Bürger der BRD davon ausgehen, dass der absolute Risiko-Umfang in der kleinen BRD ähnlich groß sind wie in den großen USA? Wird also das Versagen der deutschen Banken sowie der Aufsichtsräte und Bankenaufsicht schön geredet, um Panik zu verhindern? Sieht es in der BRD noch viel schlimmer aus als in den USA?
Zudem: Wo kommt das Geld her? Wenn schon strafrechtlich nachträglich nichts zu holen ist, so müssen m.E. in solch einer Notsituation auch Notmaßnahmen durchgesetzt werden, wie zum Beispiel eine erhebliche Erhöhung von Erbschafts- und Vermögenssteuer sowie des Spitzensteuersatzes, denn dies würde genau die Bevölkerungsgruppe betreffen, die von den Machenschaften der Banken jahrelang profitiert haben. Mich übrigens auch...
Sehr geehrter Herr Matthiesen,
ich möchte Ihre Fragen zum Anlass nehmen, um ein paar Unklarheiten zu beseitigen, die häufig zu Missverständnissen im Zusammenhang mit dem vom Bundestag beschlossenen Finanzmarktstabilisierungsgesetz führen.
1. In vielen Medien wird meist der Eindruck erweckt, die Bundesregierung würde einfach mal so 500 Mrd Euro zur Bankenrettung ausgeben. Das ist nicht richtig! Richtig ist vielmehr, dass Bundestag und Bundesregierung mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz einen Fonds gegründet haben. Dieser Fond hat die Aufgabe betroffenen Banken "unter die Arme zu greifen", um das Bankensystem vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Dazu kann dieser Fonds Garantien (Bürgschaften) für Kredite der Banken untereinander geben. Das Volumen dieser Garantien -- für deren Inanspruchnahme die Banken übrigens eine Gebühr entrichten müssen -- beläuft sich auf maximal 400 Mrd. Euro. Die Abgabe der beschriebenen Garantien allein kostet den Staat noch kein Geld. Mit weiteren maximal 70 Mrd. Euro kann der Fonds bei Bedarf notleidenden Banken direkt helfen, indem er ihnen frisches Eigenkapital zur Verfügung stellt - allerdings nicht geschenkt, vielmehr erhält der Bund dafür Geschäftsanteile an der jeweiligen Bank, die er später wieder veräußern kann. D.h. der Bund wird Miteigentümer dieser Bank(en) und erhält damit als Anteilseigner auch Mitspracherechte. Die Summe für die Garantien und die direkten Hilfen sind so gewählt, dass sie unter heutigen Annahmen ausreichend sein sollten, um die gewünschte Stabilisierung zu gewährleisten. Aber natürlich kann niemand sicher wissen, wie sich die Krise weiter entwickelt. Genau davon hängt aber ab, wie viel diese Rettungsaktion die öffentlichen Hände am Ende tatsächlich kosten wird. Es ist sogar möglich, dass im Laufe der Zeit die Einnahmen des Fonds (aus den Gebühren für die Garantien sowie den Erlösen für die zuvor erworbenen Beteiligungen) die Ausgaben ausgleichen oder gar übersteigen. Genau das war bei einer vergleichbar angelegten Bankenkrise in Schweden vor einigen Jahren der Fall. Sollten doch Verluste auftreten, dann trete ich vehement dafür ein, dass der Staat später versucht, diese Verluste vom Bankensektor wieder erstattet zu bekommen; genau dazu hat der Bundestag die Bundesregierung auch aufgefordert.
2. Oftmals wird der Eindruck erweckt, als ginge es hier einzig und allein um die Rettung von Banken oder gar von einzeln Bankern, die sich "verspekuliert" haben. Das ist falsch! Es geht hier darum, einen kompletten Zusammenbruch unseres gesamten Banken- und Finanzsektors zu verhindern. Ein solcher Zusammenbruch würde nämlich auch die Realwirtschaft mit in den Abgrund reißen! Die Folgen wären für unsere gesamte Wirtschaft und jeden einzelnen Bürger dramatisch: Abbau von Arbeitsplätzen, Verlust von Ausbildungsplätzen, Vermögensverluste und Gefährdung privater Altersvorsorge, wirtschaftlicher Stillstand bzw. Rezession. Auch die Auswirkungen auf die Stabilität und den Wert unserer Währung wären unkalkulierbar. Wer die Stützung des Bankensektors aus Prinzip ablehnt, sollte sich darüber Gedanken machen, warum sich heute alle im Bundestag vertretenen Parteien -- inklusive der Oppositionsparteien von den Grünen bis zur Linkspartei -- prinzipiell für ein Eingreifen des Staates aussprechen.
3. Mit dem beschlossenen Rettungspaket soll den Banken und den in den Banken Verantwortlichen keineswegs ein schlichtes "Weiter so" ermöglicht werden! Richtig dagegen ist, dass Banken, die um staatliche Garantien bzw. Unterstützung nachsuchen, sich mit erheblichen Auflagen bzw. Vorbedingungen konfrontiert sehen werden. Dazu zählen u. a.: Einschnitte bzw. Restriktionen bei den Managervergütungen, Überprüfung der geschäftspolitischen Ausrichtung etc. Darüberhinaus treten gerade wir Sozialdemokraten für die Einführung strengerer Regulierungen und staatlicher Kontrollen des internationalen Finanzsektors ein, wie sie Finanzminister Steinbrück auch schon vor der aktuellen Krise gefordert hat.
Fazit: Nach meinem Ermessen gibt es zu dem beschlossenen Maßnahmenpaket keine sinnvolle Alternative. Wir wollen damit verhindern, dass die Finanzmarktkrise zu einem Zusammenbruch des gesamten Bankensystems und letztendlich der gesamten Wirtschaft führt (denken Sie an die Krise von 1929). Ein solcher Zusammenbruch würde alle Bürgerinnen und Bürger hart treffen und auch dem Staat massiv erhöhte Ausgaben (in Form von Sozialtransfers etc.) bescheren.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Amann, MdB