Frage an Gregor Amann von Peter K. bezüglich Recht
Wenn in Zukunft ein sozialdemokratischer Kanzler, dem Sie vertrauen, von Ihnen verlangen würde, daß Sie ihm in einer Abstimmung das Mißtrauen aussprechen, würden Sie dann Ihrer Meinung oder der Erwartung des Kanzlers folgen?
Sehr geehrter Herr Kurtz,
es ist sehr schwer, eine solche Frage hypothetisch zu beantworten, denn bei jeder politischen Entscheidung muss man auch die Begleitumstände und die möglichen Folgen (aller Entscheidungsalternativen) berücksichtigen. Vielleicht hilft es Ihnen ja auch, wenn ich Ihnen einfach sage, wie ich in dem konkreten Fall des Mißtrauensvotums, das zur heutigen Neuwahl geführt hat, abgestimmt hätte (wenn ich damals Abgeordneter gewesen wäre)? Ich wäre dem Wunsch des Kanzlers gefolgt und hätte ihm das Mißtrauen ausgesprochen. Manche Kommentatoren verurteilten dieses Votum, als hätte es sich dabei um einen Militärputsch oder schlimmeres gehandelt. Das genaue Gegenteil ist doch der Fall: es war eine zutiefst demokratische Entscheidung! Wer ist denn das höchste Entscheidungsgremium in einer Demokratie: das Volk, also die Summe aller Wahlberechtigten! Wenn ein Regierungschef (und ihm folgend das Parlament) in einer tiefen politischen Krise, bei der es zunehmend schwerer wird zu erkennen, ob die Regierungsmehrheit im Parlament auch noch von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, wenn also in solch einer Situation der Kanzler (mit dem hohen persönlichen Risiko, nicht wiedergewählt zu werden) ermöglicht, dass das Volk selbst darüber entscheiden kann, ob es einen Politik- und Regierungswechsel möchte oder nicht, dann finde ich das sehr demokratisch. Für die, die anderer Meinung sind: Immerhin zwei der höchsten Verfassungsinstanzen, nämlich der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht, haben die Entscheidung des Bundestags auf ihre Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität überprüft und haben selbige bestätigt!
Mit freundlichen Grüßen,
Gregor Amann