Frage an Götz-Peter Lohmann von Monty S. bezüglich Verteidigung
Sehr geehrter Herr Lohmann,
wie werden sie in Zukunft abstimmen, wenn Bundeswehrsoldaten zu Auslandseinsätzen geschickt werden sollen?
Sehr geehrter Herr Schädel,
die Sicherheit der Bürger und der Schutz des Landes und seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind wesentliche Ziele deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Verteidigung heute umfasst allerdings mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff. Sie schließt die Verhütung von Konflikten, die gemeinsame Bewältigung von Krisen und die Krisennachsorge ein. Dementsprechend lässt sich Verteidigung geografisch nicht mehr eingrenzen.
Vor allem die Präambel, Artikel 1, Absatz 2 und Artikel 24 bis Artikel 26 des Grundgesetzes betonen den hohen Rang, den Deutschland der Förderung des Friedens in der Welt einräumt. Das Prinzip des friedlichen Zusammenlebens der Völker hat Verfassungsrang. Dem Ziel einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt wird insbesondere durch Artikel 24, Absatz 2 Grundgesetz entsprochen, wonach Deutschland sich in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen kann.
Mit seinem Urteil vom 12. Juli 1994 hat das Bundesverfassungsgericht der deutschen Politik einen weiteren verfassungsrechtlichen Rahmen für den Einsatz deutscher Soldaten über die Landes- und Bündnisverteidigung hinaus eröffnet. Damit ist eine Vielfalt unterschiedlicher Einsätze der Bundeswehr in den Systemen kollektiver Sicherheit, denen die Bundesrepublik angehört, unter den oben beschriebenen materiellen Vorgaben prinzipiell möglich geworden.
Innerhalb dieses Spektrums von Einsatzmöglichkeiten muss allerdings in jedem Einzelfall über den von der Bundesregierung beantragten Einsatz, die Art und das Ausmaß einer deutschen Beteiligung politisch diskutiert werden. Der Deutsche Bundestag hat dann mit Mehrheit abschließend zu entscheiden ob er dem bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr seine konstitutive Zustimmung erteilt. Die verfassungsrechtliche Praxis der letzten zehn Jahre hat dabei gezeigt, dass jeder Einsatz mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit beschlossen wurde. Diese breite politische Unterstützung durch das Parlament hat auch für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen sehr hohen Stellenwert. In diesem Sinne ist auch der Begriff der Parlamentsarmee zu verstehen, den das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung 1994 verwendet hat.
Der Bundestag ist in dieser Legislaturperiode der damaligen Empfehlung des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen und hat nach sorgfältigen Vorbereitungen das Parlamentsbeteiligungsgesetz verabschiedet. Bis dahin gab es keine nähere gesetzliche Grundlage, die die durch das Verfassungsgerichtsurteil vorgegebene Verpflichtung der Bundesregierung, für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte die - grundsätzlich vorherige - konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestag einzuholen, regelte.
Mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz werden die Form und das Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung bei der Entscheidung über militärische Einsätze deutscher Streitkräfte näher ausgestaltet. Die bestehende materielle Rechtslage ist durch das Gesetz nicht geändert worden. Die Voraussetzungen für einen bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr regeln sich nach wie vor nach internationalem Recht, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen, und den Bestimmungen des Grundgesetzes.
Zwischen der SPD und der CDU/CSU bestehen gravierende Unterschiede unter anderem bei der Frage der Parlamentsbeteiligung im Zusammenhang mit bewaffneten Auslandseinsätzen. So verlangt die Union etwa eine generelle Erlaubnis für Bundeswehreinsätze im Rahmen der NATO Response Force und der EU Battle Groups. Diesen Weg ist die SPD während der Gesetzberatung nicht mitgegangen und wird ihn auch nicht mitgehen. Die Entscheidung des Souveräns über jeden bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr - und erst Recht im Rahmen von Kampfeinsätze der Schnellen Eingreiftruppen - steht für uns außer Frage. An dieser Position hält die SPD fest.
Die eingangs erwähnten Regelungen unserer Verfassung geben den Rahmen für Auslandseinsätze der Bundeswehr vor. Zusammen mit dem beschlossenen Parlamentsbeteiligungsgesetz und der bisherigen Praxis ist ein willkürlicher Einsatz der Bundeswehr im Ausland meines Erachtens ausgeschlossen. Die Bundeswehr kann eingesetzt werden zur internationalen Krisenbewältigung ausschließlich im Rahmen der UN-Charta, des Völkerrechts und nur zur Gewalteindämmung, Gewaltverhütung und zur Durchsetzung internationalen Rechts. Dies widerspiegelt nicht nur die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung sondern auch die Meinung dieser Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsparteien im Bundestag. Dafür steht die SPD und für diese Position werden wir auch im Zweifelsfall politisch streiten.
Mit freundlichen Grüßen
Götz-Peter Lohmann MdB