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Gökay Akbulut
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Frage von Bernhard R. •

Wie ist Ihr Standpunkt zum "Nordischen Modell" zur Abschaffung der Prostitution und was wollen Sie im Bundestag konkret tun, um dieses Modell über eine Gesetzesinitiative gesetzlich einzuführen?

Sehr geehrte Frau Akbulut!
Kürzlich besuchten wir im MARCHIVUM in Mannheim eine Veranstaltung zur "19.ten" in der Neckarstadt, zur Historie und Gegenwart der Prostitution in Mannheim. Ausgehend von dieser Veranstaltung und aus der Beschäftigung mit dem Thema sehen wir einen deutlichen gesetzlichen Handlungsbedarf und Anlass zu unser Frage:
Sozialarbeiterinnen von Beratungsstellen für Frauen in der Prostitution und andere Expertinnen halten die gegenwärtige Prostitutionsgesetzgebung für wenig geeignet, den Schutz von Frauen vor sexueller Ausbeutung zu gewährleisten. Wie ist Ihr Standpunkt zum alterativen „Nordischen Modell“ mit seinen drei Säulen „Entkriminalisierung der Prostituierten“, „Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber“ und „Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte“? Und was wollen Sie ggf. im Bundestag konkret tun, um dieses Modell über eine Gesetzesinitiative gesetzlich einzuführen?

Bernhard R. u. Jutta S. /Wahlkreis Mannheim

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Sehr geehrte Frau R.,
sehr geehrter Herr R.,

das Nordische Modell ist aus meiner Sicht nicht geeignet, um Menschenhandel zu unterbinden und erst recht ist es nicht geeignet, Menschen zu helfen, die zur Prostitution - nicht selten durch brutale Gewalt - gezwungen werden. Menschen, die sich gegen ihren Willen prostituieren, brauchen Beratungsangebote, Unterstützung, wenn sie sich wehren wollen und ggf. die Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus, damit sie keine Angst vor Abschiebung haben müssen, wenn sie sich an Behörden wenden. Ein Verbot der Prostitution würde die Betroffenen jedoch nur noch weiter in das rechtliche Niemandsland der Illegalität verbannen. Außerdem würde ein Sexkaufverbot kaum eine Wirkung auf Freier haben, die wissentlich Sex von Menschen kaufen, die zum Sex gezwungen werden, also bewusst eine Straftat gehen. Denn hier sieht das Strafrecht ohnehin Mittel vor: Personen, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen und dabei die Zwangslage der Sexarbeiter*innen ausnutzen, werden bereits laut Gesetz seit 2016 nach § 232a Abs. 6 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bedroht. Menschenhandel, Ausbeutung  und "Zwangsprostitution" sind ebenfalls im § 232 StGB und § 232a StGB geregelt. Hier sind Regelungs- und Vollzugsdefizite zu prüfen, aber nach geltender Rechtslage ist eine Verfolgung bereits möglich.

Ein "Sexkaufverbot" wird vor allem an den sozialen Problemen nichts ändern, die dazu führen, dass Menschen in Zwangslagen kommen. Im Gegenteil, es würde vermutlich ihre Zwangslagen verschlimmern. Wir wissen u.a. aus den Nordischen Ländern, dass ein Verbot dazu führen würde, die Vorkehrungen zum Schutz der Freier vor Strafe zu verbessern. Die Folge: Umgekehrt würden vor allem diejenigen, die Sex gegen Geld verkaufen oder für Zuhälter verkaufen müssen, unsichtbar und ungeschützt.

Darüber hinaus kriminalisiert das Nordische Modell auch all jene, die aktuell legal und selbstgewählt als Sexarbeiter*innen tätig sind. Diese Personen brauchen ebenfalls politische Unterstützung, sie brauchen Akzeptanz statt Stigmatisierung und sie brauchen Arbeitnehmer: innenrechte und soziale Absicherung. Die Probleme und Kämpfe von Sexarbeiter: innen sind anders gelagert als die von Opfern von Menschenhandel. Beide Gruppen unterstützt DIE LINKE in ihren Kämpfen. Die Ausgangslage und die Kämpfe sind aber verschieden, weshalb es verschiedene Lösungen braucht.

Um es an einem anderen Beispiel deutlich zu machen: Niemand käme auf die Idee, die Baubranche zu verbieten, obwohl es auch hier massive Probleme mit Menschenhandel gibt. Aber niemand hätte doch etwas davon, die legalen und entsprechend arbeitsrechtlich geschützten Arbeitsverhältnisse mit zu verbieten.

Anstatt "Sexkauf" zu verbieten, sollte es eher darum gehen Gemeinsamkeiten in unseren Forderungen wie den Ausbau des Hilfe- und Beratungssystems, die Wahrung der Selbstbestimmungsrechte,  den Schutz und die Unterstützung für Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung, eine Sensibilisierung der Jugendhilfe oder aber auch eine gute soziale Absicherung von Sexarbeiter*innen in den Vordergrund zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen
Gökay Akbulut

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