Frage an Gisela Splett von Alex K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Dr. Splett,
auf Fahrten mit dem PKW auf den deutschen Autobahnen fühle ich mich zum Teil stark verunsichert, vor allen auf Teilstrecken ohne Tempolimit. Autofahrer halten den Mindestabstand nicht mehr ein und drängeln sehr stark, auch mit Aufblendlicht. Fahrspurwechsel erfolgen oft mit extrem geringen Abstand zu benachbarten PKW. Beschleunigungen im positiven und negativen Sinn werden nach motorsportähnlichen Maßstäben mit konkurierenden Automarken oder Modellen ausgereizt. Es ensteht ein Bild absoluter Anarchie mit sehr oft zu beobachtenden gefährlichen Situationen. Als umsichtiger Autofahrer fühlt man sich nicht mehr wohl auf diesen Raserstrecken.
Das Gegenteil empfinde ich in der Schweiz oder den Niederlanden, warum? Ich vermute, das Tempolimit lässt hitzige Autofahrer abkühlen. Abstände sind größer, es wird mehr geblinkt, es herrscht anständiger Verkehr.
Warum gibt es in Deutschland nicht das vernüftige Tempolimit?
Welche Personen sind in der Politik gegen ein Tempolimit? Herr Ramsauer, das ist mir klar! Haben Sie in der Landespolitik Einfluß auf dieses, auch umweltpolitisch, sehr wichtiges Thema.
Kann ein Bundesland wie BW z.B. ein generelles Limit einführen?
Wie kann ich mich als Bürger dafür einsetzen?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kretzschmar,
vielen Dank für Ihre Frage! Ich kann Ihre Ausführungen gut nachvollziehen und teile Ihre Einschätzung, dass es in Ländern mit generellem Tempolimit auf den Autobahnen weniger stressig zu geht.
Eine generelles Tempolimit auf Autobahnen könnte nur durch entsprechende Beschlüsse auf Bundesebene eingeführt werden. Bzgl. streckenbezogener Geschwindigkeitsbeschränkungen sind wir an die Regelungen der Straßenverkehrsordnung gebunden. In § 45 Abs. 9 der StVO ist geregelt, dass "... Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden [dürfen], wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt". Diese Regelung greift sowohl für innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen als auch für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnabschnitten.
Im GRÜNEN Landtagswahlprogramm findet sich folgende Aussage: "Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem es keine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. Doch je höher das Tempo, umso höher sind auch die CO2-Emissionen, und umso gefährlicher wird es auf den Straßen. Wir GRÜNEN fordern deshalb ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern, mit dem sich die CO2-Emissionen um bis zu 9 Prozent und die Zahl schwerer Unfälle um bis zu 30 Prozent senken lassen. Zudem erhielte die Autoindustrie einen Anreiz, sparsamere und leichtere Automobile zu entwickeln."
Im grün-roten Koalitionsvertrag haben wir folgende Vereinbarung getroffen: "Trotz der Erfolge der vergangenen Jahre gibt es nach wie vor zu viele Tote und Verletzte im Straßenverkehr. Daher verfolgen wir das Verkehrssicherheitsleitbild „Vision Zero“ - einen Straßenverkehr ohne Tote und Schwerverletzte. Dazu bedarf es eines ambitionierten Verkehrssicherheitsprogramms. Wir werden deshalb auf Bundesebene Initiativen unterstützen, die eine Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen und eine Absenkung innerörtlichen Regelgeschwindigkeiten vorsehen. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit oder zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm und Emissionen werden wir auf Landesebene die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen." Entsprechende Mehrheiten auf Bundesebene sind leider noch nicht in Sicht.
Als Bürger können Sie sich auf vielfältige Weise engagieren, z.B. durch entsprechende Fragen auch an andere PolitikerInnen, durch parteipolitisches Engagement oder durch Unterstützung der Verbände, die sich für nachhaltige Mobilität und Tempolimits einsetzen. Auch wenn es dabei nicht um Autobahnen sondern um die innerörtliche Regelgeschwindigkeit geht, möchte ich Sie auf die aktuelle Europäische Bürgerinitiative "30km/h - macht die Straßen lebenswert!" (siehe http://de.30kmh.eu/ ) und die Unterstützer-Organisationen dieser Initiative hinweisen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gisela Splett