Portrait von Gisela Piltz
Gisela Piltz
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gisela Piltz zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dietmar J. •

Frage an Gisela Piltz von Dietmar J. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr verehrte Gisela Piltz,

in welcher Weise könnten Sie sich dafür einsetzen, daß die vielen Verkehrsteilnehmer in Deutschland wenigstens gegen die schlimmsten Unfälle finanziell abgesichert werden, möglicherweise künftig ohne Versicherungswirtschaft über staatliche Fürsorge auf eine Weise, die "Raser" und "Rauschfahrer" höher als ihre Opfer an den von ihnen verursachten Schäden beteiligt? Die produzieren noch immer die meisten Kosten, die von rund 50 Millionen Kraftfahrern aufgebracht werden mit jährlich rund 500 Euro für die KFZ-Haftpflicht.

Wußten Sie, daß vor allem schwer Geschädigte schlußendlich drauflegen bei ihren oft jahrelangen Bemühungen, nach Vertrag und Gesetz für schuldlos erlittene Schicksalsschläge entschädigt zu werden? Die allermeisten erleben ihre Regulierungsbemühungen als zweiten Schicksalsschlag in Zeitlupe. Viele verlieren ihre Freunde, ihre Familie und jegliches Vertrauen in die deutsche Justiz ... Was der NDR mit "Versichert und verloren" sowie der SWR mit "Versichert und verschaukelt" vor kurzen gezeigt hat, ist nur die Spitze des Eisbergs!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit, Ihre Bemühung
und schöne Grüße

Portrait von Gisela Piltz
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Jacobi,

nach der EU-Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, die in Deutschland mit dem Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter in nationales Recht umgesetzt ist, muss jeder Halter eines Fahrzeugs eine Haftpflichtversicherung abschließen. Diese muss eine Mindestversicherungssumme für Personenschäden bis zu 7,5 Millionen Euro vorsehen.

Die Versicherung muss zudem so gestaltet sein, dass bei Personenschäden die Heilungskosten und bei etwaiger Invalidität die Rentenzahlungen Versicherungsleistung sind.

Da der gesetzliche Versicherungsgegenstand eine Gefährdungshaftung ist, muss die Versicherung des Halters eines Fahrzeugs, welches einen Unfall verursacht hat, in jedem Fall eintreten, sogar gegen den Willen des Halters. Für den Fall, dass für das unfallverursachende Fahrzeug aus welchen Gründen auch immer keine Halterhaftpflicht besteht, hat die Versicherungswirtschaft gem. § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes einen Fonds eingerichtet, aus dem die Ansprüche des Opfers bedient werden.

Im Übrigen ist strafbar, wer ein Fahrzeug führt oder einem anderen zur Führung überlässt, sofern für das Fahrzeug nicht eine Halterhaftpflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz besteht.

Ob der leistungspflichtige Versicherer bzw. der Versicherungsfonds gegen den Unfallverursacher oder seinen eigenen Versicherungsnehmer Regressansprüche geltend machen kann, berührt insoweit das Opfer nicht. Ebensowenig muss sich das Opfer darum kümmern, ob etwaige Regressansprüche zwischen Fahrzeughalter und Unfallversursacher bestehen. Vielmehr ist das Unfallopfer immer unmittelbar Nutznießer der Versicherungsleistung. Es ist mithin auch nicht darauf angewiesen, ob der Unfallverursacher selbst über ausreichende Mittel verfügt, um etwaige Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche zu bedienen. In der Regel dürfte dies bei schweren Personenschäden ohnehin nie der Fall sein, so dass der Geschädigte besser steht, sich an der gegnerischen Versicherung schadlos zu halten.

Damit hat der europäische wie auch der deutsche Gesetzgeber dem Opferschutz oberste Priorität eingeräumt.

Weiterhin ist Grundgedanke des geltenden Rechts, dass nicht die Allgemeinheit in Form von staatlichen und mithin steuerfinanzierten Leistungen für die Kosten aufkommen muss, die von privater Seite verursacht wurden, sondern dass derjenige, der die Gefahr einer Schädigung setzt, nämlich der Halter des Fahrzeugs, sich privat versichern muss.

Dass es dennoch zu Streitigkeiten um die Höhe des Schadensersatzes für das Opfer kommen kann, die ggf. gerichtlich zwischen Geschädigtem und leistungspflichtiger Versicherung geklärt werden, ist im Rechtstaat selbstverständlich. Es wäre mit dem Grundgedanken unseres Rechtstaats nicht vereinbar, wenn hier eine Ausnahme vom generellen Prinzip der gerichtlichen Überprüfung und Feststellung von geltend gemachten Ansprüchen abgewichen würde. Regelmäßig ist nicht nur die Schuldfrage und die Frage etwaiger Mitschuld, auch in Form einer Fahrlässigkeit, zu prüfen, sondern auch die Angemessenheit und Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten für Heilung oder auch im Bezug auf ein mögliches Schmerzensgeld. Mir ist natürlich bewusst, dass ein Gerichtsverfahren für ein Unfallopfer eine zusätzliche Belastung darstellen kann, jedoch kann es in unserem Rechtstaat nicht sein, dass ein derartiger privatrechtlicher Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung besteht. Dies würde dem Missbrauch auch Tür und Tor öffnen und damit auch die Solidargemeinschaft belasten.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass im Falle einer Trunkenheitsfahrt und einem hierdurch verursachten Unfall der Versicherer im Innenverhältnis gegen den Versicherungsnehmer wegen dessen Obliegenheitsverletzung vorgehen kann. So kann in diesem Falle die an das Opfer ausgeschüttet Versicherungsleistung vom Versicherungsnehmer durch die Versicherung zurückgefordert werden. Davon unberührt bleibt jedoch der Ersatzanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer. Nach Ihrem Vorschlag wäre dies künftig das Problem des Geschädigten, was mir jedoch unzumutbar erscheint. Richtig ist die heute geltende Rechtslage, wonach jeder Versicherungsnehmer sich selbst gegenüber der eigenen Versicherung regresspflichtig macht, wenn er seinen Obliegenheiten nicht nachkommt. Zu den Pflichten eines Kfz-Haftpflichtversicherten gehört selbstverständlich, nicht in verkehrsuntüchtigem Zustand, etwa aufgrund von Drogen oder Alkohol, ein Fahrzeug zu führen.

Schließlich hat aus gutem Grunde in Deutschland das Zivilrecht keine Strafwirkung. Trunkenheit am Steuer ist schon ohne Unfallverursachung eine Straftat, erst recht im Falle der Verursachung eines Unfalls. Auch Nötigung, etwa in Form von "Drängeln", ist strafbar. Die strafrechtliche Verantwortung wird jedoch nicht im Zivilverfahren, sondern im Strafverfahren festgestellt. Ein Unfallverursacher, der vorsätzlich oder fahrlässig eine Körperverletzung herbeigeführt hat, wird hierfür entsprechend von einem Strafgericht zur Verantwortung gezogen und zu Geld- oder Freiheitsstrafen verurteilt werden. Als Nebenstrafe sieht das Strafgesetzbuch zudem die Entziehung der Fahrerlaubnis vor.

Darüber hinaus wird bei einem Verkehrsunfall regelmäßig auch ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vorliegen, so dass auch die hier enthaltenen Sanktionsmöglichkeiten, etwa in Form von Bußgeldern aufgrund begangener Ordnungswidrigkeiten oder in Form einer Einziehung der Fahrerlaubnis, zur Anwendung kommen.

Das deutsche Recht hält für die Regulierung von Verkehrsunfällen eine Vielzahl rechtlicher Möglichkeiten parat. Etwaige Lücken kann ich daher nicht erkennen.

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Piltz

Büro der Stellvertretenden Vorsitzenden
der FDP-Bundestagsfraktion
Gisela Piltz MdB