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Gisela Piltz
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Frage von Dominik S. •

Frage an Gisela Piltz von Dominik S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

sehr geehrte Frau Piltz,

ich beziehe mich auf folgenden Artikel von stern.de:
http://www.stern.de/politik/deutschland/umstrittenes-meldegesetz-die-union-und-ihre-adresshungrigen-lobbyisten-1858828.html

In dem geben Lobbyisten klar Auskunft, dass sie Abgeordnete von CDU/CSU kontaktiert haben und zu Gesprächen eingeladen wurden.

Dazu klare Fragen:
Sind Sie auch von Lobbyisten der entsprechenden Verbänden (zum Beispiel Inkasso, Versicherung, Post) kontaktiert worden?

In wie fern hatte das Einfluss auf Ihre Arbeit?

Wie stehen Sie zum "legislativen Fußabdruck" ?

Wie erklären Sie sich die Aussage von Ihrem Kollegen Uhl, dass im Meldegesetz die Wünsche der Kommunen angeblich umgesetzt wurden, aber keine der Kommunen jemals das so haben wollte?

Klare Fragen = klare Antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Dominik Seitz

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Seitz,

um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe keine Gespräche mit Vertretern von Verbänden oder Unternehmen zum Melderecht geführt. Es hat einige Gespräche zwischen den Koalitionsfraktionen mit dem Ihnen bekannten Ausgang gegeben. In einer Koalition kann man nicht immer seine Position voll zur Geltung bringen.

Nachfragen zu den Aussagen meines Kollegen Dr. Uhl bitte ich direkt an ihn zu richten.
Vom sog. legislativen Fußabdruck bin ich nicht überzeugt, weil er in hohem Maße geeignet ist, Fehlschlüsse zu provozieren. Denn es wird oftmals so sein, dass z.B. ein Gewerkschafts- oder Verbandsvertreter die gleiche Position verfolgt wie ein Politiker einer Fraktion. In vielen Fällen würde eine Beeinflussung unterstellt, die gar nicht stattgefunden hat. Auch sind Abgrenzungsfragen ungeklärt: Wenn ein Abgeordneter das Wort „Datenschutzverordnung“ nur beiläufig in einem Gespräch erwähnt, hat er mit dem Vertreter wohl bereits über ein europäisches Gesetzgebungsvorhaben gesprochen. Auch aus Gründen eines absurden bürokratischen Aufwands halte ich dies für völlig unpraktikabel. Kontrollierbar wären solche Angaben ohnehin nicht. Stattdessen würde dann von denen, die heute Abgeordneten unterstellen, sich von sachfremden Kriterien leiten zu lassen, unterstellt, dass sie Kontakte mit Interessenvertretern nicht angegeben haben. Damit wären wir also keinen Schritt weiter.

Der Deutsche Bundestag besteht aus Abgeordneten, die alle unterschiedlich sind und denken. Abgeordnete sind keine neutralen gleichförmigen Massen. Bedauerlicherweise wird bei politischen Entscheidungen zugunsten einer bestimmten Position, besonders, wenn sie wirtschaftsfreundlich ist, reflexartig ein vermeintlicher Korruptionsskandal gewittert. Es wird nicht gefragt, warum es gut sein könnte, sondern, ob es nicht schlecht sein könnte. Daran haben einige Medien großen Anteil. Es gibt eine Tendenz in Deutschland, Politiker unter einen Generalverdacht der Käuflichkeit zu stellen, der meines Erachtens durch nichts gerechtfertigt ist. Weil das Thema hier viel Raum einnimmt, möchte ich dazu einige grundsätzliche Bemerkungen machen.

Lobbyisten sind Interessenvertreter. Dazu zählen nicht nur die häufig in diesem Zusammenhang gemeinten Vertreter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, sondern auch von Gewerkschaften, Kirchen, Hilfsorganisationen, Umweltorganisationen und auch Einzelpersonen, die bestimmte eigene oder fremde Interessen vertreten. Dabei lässt sich nicht ohne weiteres, wie das häufig suggeriert wird, zwischen „guter“ und „schlechter“ Interessenvertretung unterschieden werden, weil die Gründe für eine Einflussnahme auf die Politik oftmals vielschichtig sind. Die jeweiligen Ziele werden auch von unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich bewertet. Es ist gerade Teil der Politik, dass mit Vertretern unterschiedlicher Interessen gesprochen und diskutiert wird. Viele Abgeordnete sind selbst in bestimmten Berufen tätig gewesen oder gehören Vereinen, Verbänden oder Gewerkschaften an. Teilweise werden sie gerade deswegen gewählt. Sie vertreten auch selbst Interessen der Wähler, des Wahlkreises und der Partei. Abgeordnete sind eben keine neutralen Beamten, sondern mit einem freien Mandat ausgestattetet, die gemäß Artikel 38 GG bei ihren Entscheidungen nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
Um Entscheidungen richtig zu treffen, ist es aber richtig, dass sich die Abgeordneten nicht nur einseitig informieren. Für die Abgeordneten ist es wichtig, auf der Grundlage vieler Aspekte und Argumente unterschiedlicher Interessensrichtungen schließlich die eigene Abwägungsentscheidung zu treffen.

Kontakte zu Interessenvertretern können Aspekte in die Diskussion einbringen, die zuvor nicht gesehen wurden. Teilweise werden auch Folgen gesetzlicher Regelungen dargestellt, die zuvor nicht gesehen worden waren und nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Dies sehen manchmal erst die durch die geplante Regelung oder die unbeabsichtigte Folgewirkung Betroffenen selbst. Solche Hinweise können dazu beitragen Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren zu verbessern. Bei öffentlichen Anhörungen zu Anträgen oder Gesetzentwürfen, die die Geschäftsordnung des Bundestages ausdrücklich regelt, werden häufig auch Interessenvertreter als Gehörspersonen benannt.
Die Anlage 2 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages trifft bereits eine Reihe von Regelungen zu Interessenvertretern, unter anderem wird bereits ein Lobbyistenregister geführt. Eine Anhörung von Verbänden oder die Ausgabe von Hausausweisen an ihre Vertreter ist nur zulässig, wenn die Verbände registriert sind. Darüber hinaus werden von einigen Fraktionen Vorschläge für eine stärkere Kontrolle gemacht. Die Vorschläge der Opposition sind praxisfern, haben keinen tatsächlichen Nutzen für die Transparenz und sind teilweise rechtlich nicht durchführbar.

So lässt sich z.B. der zeitlichen Aufwand für ein Vorhaben bzw. einen Auftraggeber kaum klar beziffern, wenn Gespräche zu mehreren Themen oder mit geführt werden. Solche Vorschläge würden einen enormen Bürokratieaufwand verursachen ohne dass am Ende ein Nutzen erkennbar ist. Kontrollierbar sind solche Angaben ohnehin nicht. Auch sagt die Arbeitsdauer für ein bestimmtes Vorhaben noch nichts über den „Erfolg“ der Lobbytätigkeit aus. Ebenso ist es, wenn gefordert wird, ab einer finanziellen Grenze Lobbyarbeit zu erfassen. Einflussnahme kann auch nicht nur über bezahlte, sondern auch über ehrenamtliche Interessenvertreter erfolgen.
Rechtliche Probleme gäbe es, wenn Rechtsanwälte Kontakt zu Politikern aufnehmen. Denn Sie sind als Berufsgeheimnisträger gegenüber ihren Mandaten zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen
Gisela Piltz