Frage an Gisela Piltz von Max M. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Piltz,
entspricht die Darstellung in diesem Blogbeitrag den Tatsachen? http://blog.abgeordnetenwatch.de/2012/07/09/kurz-vor-der-halbzeitpause-wie-das-meldegesetz-im-schnelldurchlauf-den-bundestag-passierte/
Wenn Ja:
Aus welchem Grund haben Sie den Änderungsantrag in den Innenausschuss eingebracht? Waren Ihnen die weitreichenden Folgen für die informationelle Selbstbestimmung aller Bürger bewusst? Welche Unternehmen, Verbände oder andere Lobby-Gruppen haben Einfluss auf den Text ausgeübt oder mit Ihnen diesbezüglich Kontakt aufgenommen um Einfluss auszuüben?
Mit freundlichen Grüßen
Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
gerne antworte ich auf Ihr Schreiben zum neuen Bundesmeldegesetz. In dem von Ihnen erwähnten Blog-Beitrag ist inzwischen übrigens eine Klarstellung bezüglich der Beschlussfassungen im Bundestag angefügt worden, der Sie gerne entnehmen können, dass Entscheidungen des Bundestags selbstverständlich nicht unter Missachtung demokratischer Entscheidungswege von einzelnen Abgeordneten herbeigeführt werden, sondern immer das Ergebnis demokratischer Befassung in den Fraktionen sind, in diesem Fall einer Kompromissfindung innerhalb der Koalitionsfraktionen.
Bei der Föderalismusreform wurde vereinbart, das Meldewesen in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes zu überführen. Mit der Schaffung des Bundesmeldegesetzes wird nunmehr von der neu geschaffenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes Gebrauch gemacht. Damit soll gewährleistet werden, dass einheitliche Standards bei den Melderegistern eingeführt werden und mithin in einer mobiler werdenden Gesellschaft Bürokratie abgebaut und zudem den Bedürfnissen der Informationsgesellschaft auch in der öffentlichen Verwaltung entsprochen wird.
Daher war Ziel des Gesetzgebungsverfahrens, das geltende Recht quasi auf einen Nenner zu bringen und in Bundesrecht zu überführen. Das neue Melderecht bildet daher das geltende Recht aus den derzeit bestehenden Landesmeldegesetzen ab. Unberührt bleibt zudem die Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes, welches selbstverständlich nach wie vor auf die Datenverarbeitung in den Meldebehörden umfassend Anwendung findet.
Ab 2014 gilt bundesweit ein neues einheitliches Melderecht. Bisher gibt es ein Rahmengesetz des Bundes und 16 Landesmeldegesetze. Im neuen Bundesmeldegesetz werden – in Einklang mit dem Bundesdatenschutzgesetz – weiterhin hohe Datenschutzstandards eingehalten.
Für die FDP-Fraktion war dabei wichtig, dass mit dem neuen Recht kein zentrales Melderegister geschaffen wird, wie es in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen worden war, sondern es weiter bei der dezentralen Speicherung in den zuständigen Meldebehörden bleibt.
Für die Bundesjustizministerin und auch die FDP-Fraktion war dabei ebenso wichtig, dass das Gesetz auch im Blick auf den Datenschutz die Bürgerinnen und Bürger nicht schlechter stellt als bisher. Allerdings war eine Mehrheit im Bundestag für die datenschutzrechtlich weitestgehende Einwilligungslösung nicht möglich. Dennoch konnte die FDP-Fraktion sich mit einem neuen gesetzlichen Widerspruchsrecht durchsetzen. Bislang ist ein solches Widerspruchsrecht in den geltenden Landesmeldegesetzen nicht vorgesehen, erst recht sieht kein Landesgesetz eine Einwilligungslösung vor. Mithin konnte die FDP-Fraktion bereits für eine deutliche Verbesserung sorgen. Da sich zwischenzeitlich jedoch die CSU offensichtlich anderweitig entschieden hat und nun doch eine Einwilligungslösung mittragen möchte, steht die FDP-Fraktion hierfür nach wie vor gerne bereit.
Dennoch möchte ich Ihnen gerne erläutern, was sich in dem aktuell vorliegenden Gesetz ändert und wie Ihr neues gesetzliches Widerspruchsrecht Ihre Daten schützt:
Das neue Bundesmeldegesetz ändert auch an den Möglichkeiten, Daten bei Meldebehörden abzufragen, grundsätzlich nichts. Weiterhin bestehen wie schon in den geltenden Landesmeldegesetzen die Möglichkeiten, einfache Melderegisterauskünfte zu bereits namentlich bekannten Personen voraussetzungslos abzufragen, ebenso bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses erweiterte Melderegisterauskünfte zu verlangen. Bei der einfachen Melderegisterauskunft werden Vor- und Nachname sowie aktuelle Anschrift übermittelt. Dies ist sowohl im Bezug auf eine einzelne Person wie auch auf Gruppen zulässig, sofern die Person namentlich benannt wird. Hingegen ist bei der erweiterten Melderegisterauskunft, bei der zu Name und Anschrift weitere Daten wie etwa Geburtsdatum oder frühere Anschriften hinzukommen, notwendig, ein berechtigtes Interesse, etwa eine vertragliche Forderung, glaubhaft zu machen, also der Behörde durch geeignete Beweise darzulegen.
Darüber hinaus besteht bereits heute die Möglichkeit, Listenauskünfte zu verlangen, bei denen Daten nicht namentlich bekannter Personen nach bestimmten Kriterien übermittelt werden, also etwa Wohnort und Alter. Diese Auskunft richtet sich nach den Regelung für die Gruppenauskunft sowie nach den Beschränkungen des Bundesdatenschutzgesetzes.
Künftig bleiben diese Möglichkeiten bestehen und werden in Bundesrecht überführt.
Allerdings wird im über das geltende Recht hinaus der Datenschutz verbessert. Denn künftig muss bei Melderegisterauskünften zum Zwecke von Werbung oder Adresshandel der Zweck angegeben werden. Die Daten dürfen dann nur zu diesem Zweck verwendet werden, eine Zweckentfremdung ist bußgeldbewehrt.
Jeder Bürger muss bei der Anmeldung von seinem zuständigen Meldeamt darauf hingewiesen werden, dass er dieser Weitergabe – auch mit Wirkung für die Zukunft – widersprechen kann. Ein Widerspruch ist jedoch jederzeit, also auch nach der Anmeldung noch möglich. Eine solche Widerspruchsmöglichkeit bestand bislang nur für Parteienwerbung. Die neue Regelung im Bundesmeldegesetz erweitert die Möglichkeit jedes Einzelnen, Herr seiner Daten zu bleiben. Durch die Pflicht zur Zweckangabe wird darüber hinaus die Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger gesteigert, da sie wie schon heute auch weiterhin selbstverständlich bei der Meldebehörde Auskunft darüber verlangen können, wie mit ihren Daten umgegangen wurde.
Die Nutzung der so erlangten Daten unterliegt im Übrigen selbstverständlich weiterhin dem Bundesdatenschutzgesetz. Damit besteht nach den Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes ein Anspruch des Betroffenen, gegenüber einem Unternehmen Auskunft, Berichtigung und Löschung seiner Daten zu verlangen.
Das Widerspruchsrecht bei der Meldebehörde, wonach künftig jeder die Weitergabe seiner Adressdaten zu Werbezwecken verhindern kann, erstreckt sich nicht auf Berichtigungsanfragen. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, welches bereits über früher überlassene Daten zu einer ihm bekannten Person verfügt, etwa aufgrund einer Kundenbeziehung, die Daten im Wege der Melderegisterauskunft berichtigen darf. In Fällen, in denen nämlich ein Kunde einem Unternehmen freiwillig seine Daten zur Verfügung gestellt hat, richtet sich wie schon bisher der Anspruch auf Löschung der Daten bzw. die Versagung der weiteren Nutzung ausschließlich nach dem Bundesdatenschutzgesetz. In einer Adressänderung allein liegt kein datenschutzrechtlich wirksamer Widerspruch gegen eine einmal erteilte Genehmigung zur Verwendung der eigenen Daten. Insofern liegt hier keine Verschlechterung gegenüber geltendem Recht vor, sondern es gilt nach wie vor das Bundesdatenschutzgesetz.
Das neue Melderecht ist kein Freibrief für Datenhandel oder Werbung. Vielmehr bietet es ein Plus an Transparenz und Datenschutz im Vergleich zum geltenden Recht. Raum für Befürchtungen, die Kommunen könnten durch den Verkauf von Melderegisterdaten künftig ein Geschäft zu Lasten des Datenschutzes machen, besteht nicht. Die Rechtslage wird im Gegenteil dahingehend verbessert, dass ein zusätzliches Widerspruchsrecht eingeführt wird, das die Weitergabe von Melderegisterdaten einschränkt.
Würde hingegen – wie von SPD und Grünen angekündigt – das Bundesmeldegesetz im Bundesrat gekippt werden, bliebe es bei den geltenden Landesgesetzen. Mithin bliebe es dann bei Regelungen, die ein gesetzliches Widerspruchsrecht nicht gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Piltz