Frage an Gisela Piltz von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Piltz,
taz.de - vor 4 Stunden
Zehntausende Heranwachsende bekommen Werbebroschüren von der Bundeswehr. ... noch gültige Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur ...
03.01.2012
Auszug:
"In der Gesetzesbegründung ist festgehalten, dass dies der Werbung Freiwilliger dient", sagt Gausepohl. Das bestätigt auch das für Nachwuchswerbung zuständige Bundesamt für Wehrverwaltung in Bonn.
Der ehemalige Verwaltungsbeamte widerspricht dem. Der schleswig-holsteinische Friedensaktivist verweist auf die noch gültige Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur zur Übersendung von Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften verwendet werden". Versandt worden sei jedoch "reine Werbung". Die Risiken von Auslandseinsätzen etwa "werden komplett ausgeblendet". Dabei kämen viele Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung von Auslandseinsätzen zurück. Davon stehe in den Schreiben aber nichts. "Information muss ausgewogen sein, Werbung nicht."
Dazu: In den Werbeschreiben wird auf www.bundeswehr-karriere.de hingewiesen. Dort fehlen ebenfalls Hinweise auf die in Auslandseinsätzen besonders vorhandenen körperlichen und psychischen Gefährdungen.
§ 58 Abs. 2 Wehrpflichtgesetz fordert aber ohne Wenn und Aber INFORMATIONEN.
Allgemein bekannt ist, daß das Gegenteil von Information die Desinformation(gibt es bekanntlich in der Werbung durch Weglassen von Hinweisen) ist. Die Wörter DESINFORMATION und WERBUNG stehen aber nicht im Gesetzestext.
Der Verweis auf die Gesetzesbegründung – dort steht das Wort WERBUNG - ist im Hinblick auf das unmißverständliche Wort INFORMATION erstaunlich: Seit wann kann eine
unmißverständliche Formulierung im Gesetz durch eine Gesetzesbegründung geändert werden?
Stimmen wir darin überein, daß hier das Bundesamt für Wehrverwaltung gegen § 58 Abs. 2 Wehrpflichtgesetz verstößt?
Falls ja: Was werden Sie tun?
Mitr freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
auf Ihre Anfrage lege ich Ihnen gerne die Haltung der FDP-Bundestagsfraktion dar. Die FDP-Bundestagsfraktion teilt nicht Ihre Meinung, dass das Bundesamt für Wehrverwaltung gegen den §58 (2) WPflG verstößt. Der Begriff "Information" lässt von seiner allgemeinen Definition Auslegungsspielraum zu. Die reine Information definiert sich darüber, dass der Empfänger anschließend mehr weiß, als vorher. Dabei ist Information nicht notwendig neutral in ihrer inhaltlichen Aussage, sondern kann durchaus zweckgerichtet sein. Wichtig ist in dem konkreten Zusammenhang daher, was der Gesetzgeber mit dem Paragraphen beabsichtigt. Jedes Gesetz wird ausgelegt, daher spielt auch die Begründung eine wichtige Rolle, denn sie gibt Aufschluss über die Intention des Gesetzgebers. In diesem Falle ging es darum, der Bundeswehr die Möglichkeit zu eröffnen, junge Menschen über die Möglichkeiten des Dienstes in den Streitkräften ("Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften") zu informieren. Ziel der Norm ist dabei erkennbar, junge Menschen auf die Möglichkeiten eines Dienstes in der Bundeswehr aufmerksam zu machen, um dadurch Freiwillige zu gewinnen, die die Sicherheit unseres Landes verteidigen. Durch das Recht zum Widerspruch und die Begrenzung der erhobenen Daten ist dabei gewährleistet, dass weder gegen den erklärten Willen der Betroffenen die Information aufgrund dieses Paragraphen zugestellt werden kann, noch gibt es die Möglichkeit der Profilbildung aufgrund der erlaubten Daten. Man hat der Bundeswehr diese Möglichkeit der Information eingeräumt, da dies aus Sicht des Gesetzgebers ein notwendiges Instrument ist, damit die Bundeswehr ihren verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen kann. Aufgrund der Aufgabe der Bundeswehr, die Landesverteidigung zu gewährleisten, ist die Privilegierung bezüglich von Melderegisterauskünften verfassungsrechtlich zulässig und auch verhältnismäßig.
Dass Sie die Informationen der Bundeswehr als "einseitig" und "unausgewogen" bzw. "Desinformation" bezeichnen, ist Ihr gutes Recht. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass allein durch die öffentliche Diskussion seit Ende 2009 und die Behandlung des Themas Afghanistan sowie den damit zusammenhängenden Verlusten bei unseren Soldaten und Polizisten, sich mittlerweile jeder der Risiken gerade des Soldatenberufes bewusst ist. Ich gestehe gerne zu, dass die Werbung der Bundeswehr in gewissen Bereichen optimiert werden kann, aber Sie dürfen auch nicht vergessen, dass unsere Gesellschaft in diesem Zusammenhang eine Darstellung von Krieg auch schnell als Gewaltverherrlichung einstuft. Darüber hinaus wird bei den Ansprechpartnern für die jungen Leute verstärkt darauf geachtet, Soldaten mit Einsatzerfahrung einzusetzen, damit auch diese Fragen realistisch und ehrlich beantwortet werden können.
Ich konnte Ihnen hoffentlich verdeutlichen, warum meine Kolleginnen und Kollegen der FDP-Bundestagsfraktion und auch ich persönlich Ihre Auffassung nicht teilen und ich daher auch keinen weiteren Handlungsbedarf hinsichtlich des Bundesamtes für Wehrverwaltung sehen. Ungeachtet dessen möchte ich mich für Ihr Engagement bedanken und stehe Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Piltz