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Gisela Piltz
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Frage von Hans-Georg von Z. •

Frage an Gisela Piltz von Hans-Georg von Z. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Piltz,

zunächst: Ich habe Sie als Düsseldorfer mit in den Bundestag gewählt, und ich verfolge mit großem Interesse die Positionen Ihres Parteikollegen, Herrn Schäffler.

Aus meiner Sicht wurden mit dem "Rettungsfonds" für Griechenland vor 1 Jahr, seinen Erhöhungen für andere Länder und dem sich abzeichnenden, erneuten Rettungsfonds die Zusagen ggü. uns Bürgern bei der Einführung des Euros nachhaltig verletzt. Das ist nicht das Schlimmste, vielmehr ist mein Eindruck, dass die Politik um den Preis von zig Milliarden, die unser Land aufbringen soll, die Unausweichlichkeiten nur etwas aufschiebt.

Ich will Sie hier nicht zur Solidarität mit Herrn Schäffler drängen, aber vielleicht sind Sie ja bereits entschlossen, dem neuerlichen Rettungspaket nicht zuzustimmen?
Falls doch: Wie lange muss es Ihrer Meinung nach mindestens ohne Aufstockung halten, um Ihre Zustimmung zu rechtfertigen? Sprich: Angenommen, die Milliarden erweisen sich wieder nur als kurzer Aufschub, wären also umsonst: Wären Sie dann bereit, wie einst Herr Schröder zu sagen: Dann habe ich die Wiederwahl nicht verdient? Wo liegt da Ihre Messlatte?

Noch eine Bitte: Z.Zt. gibt es das unsägliche Wort vom "Marshallplan". Bitte: Vermeiden Sie es! Der Marshallplan kam aber nach der "Stunde Null", und diese "Stunde Null" hat Griechenland noch nicht gehabt. Dauersubvention zum "wirtschaftlichen Aufbau" gibt es dagegen seit dem Beitritt Griechenlands.

Und noch eine Anregung: Warum traut sich eigentlich keine Partei, zu diesem Thema eine Veranstaltung anzusetzen? Wegen Überfüllungsgefahr?

Georg v. Zezschwitz

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr von Zezschwitz,

vielen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich gerne etwas ausführlicher antworten möchte. Die aktuellen Ereignisse verdeutlichen die Dimension, die diese mittlerweile weltweite Schuldenkrise für uns alle hat und noch wird haben können.

Diese Staatsschuldenkrise in Europa stellt die Europäische Union vor ihre bislang schwierigste Aufgabe. Die FDP stellt sich dieser Aufgabe von Beginn an mit der nötigen Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern in Deutschland, aber auch gegenüber dem europäischen Einigungsprozess und der EU insgesamt.

Entgegen der häufig verwendeten Wortwahl geht es derzeit nicht primär um eine Krise des Euro. Der Wert unserer gemeinsamen Währung ist ungeachtet der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise sehr stabil. Es handelt sich vielmehr um Finanzierungskrisen in einigen Mitgliedstaaten der Eurozone. Aufgrund der inzwischen verbreitet hohen Schuldenquoten von deutlich über 60% des jährlichen Bruttoinlandsproduktes und zum Teil erheblichen Wachstumsproblemen fürchten viele Experten die Gefahr einer „Ansteckung“ anderer Länder der Eurozone. Daher muss die Politik auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen für die betroffenen Länder finden und das Vertrauen der Finanzmärkte insgesamt wiederherstellen.

Vor dem Hintergrund Ihrer Aufforderung, einem weiteren Rettungsschirm die Zustimmung zu verweigern, muss man sich die Frage stellen, was die Alternative zu den Stabilisierungsmaßnahmen und Vorhaben der christlich-liberalen Koalition in ihrer Konsequenz bedeuten würde.

Die erste Folge einer ungeordneten Insolvenz eines Mitgliedsstaates wäre, dass Inhaber der entsprechenden Staatsanleihen diese Papiere abschreiben müssten. Dies würde Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit fast jeden Privatanleger insbesondere bei Fragen der Altersvorsorge treffen.

Die zweite, weitaus gravierendere Folge wäre, dass der Kapitalmarkt einen negativen Lerneffekt erzielt und fortan bei bestimmten Staaten Kredite nur noch gegen erhebliche Zinsaufschläge zur Kompensation des Ausfallrisikos gewährt. Hierdurch würden andere schwächere Staaten aufgrund immer höherer Refinanzierungskosten gewissermaßen einen Insolvenzbeschleuniger erfahren. Die Folge könnte eine Kaskade wirtschaftlich zusammenbrechender Staaten sein, die aus dem Euroraum aussteigen, ihre eigene Währung einführen und diese erheblich abwerten müssten. Eine solche Kaskade würde wiederum die Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit hauptsächlich Privatanleger treffen, da die Anleihen trotz eines Währungswechsels noch immer in Euro dotiert sind und entsprechend kaum zum vollen Wert abgelöst werden dürften.

In der Folge droht der Zusammenbruch eines ganzen Wirtschaftsraums, der insbesondere die hauptsächlich am Export orientierte, deutsche Volkswirtschaft treffen würde. In der Konsequenz eines derartigen Szenarios wäre mit starker Inflation und Massenarbeitslosigkeit auch hierzulande zu rechnen. Wer dann am langen Ende der Leidtragende dieser Entwicklung sein dürfte, ahnen Sie sicher bereits - der Steuerzahler in Deutschland.

Vor diesem Hintergrund erscheint der ernsthafte Versuch, einen in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedsstaat zunächst zu stützen und ihm gleichzeitig eine Sanierungskur zur Erreichung gesunder Strukturen und damit dauerhafter eigener Stabilität angedeihen zu lassen, weitaus weniger risikoreich für unsere deutschen Interessen. Daher müssen wir mit geeigneten Institutionen und Regeln vorsorgen, die eine Kettenreaktion vermeiden und den Zusammenbruch des Wirtschaftsraums gar nicht erst zulassen.

Solidarität ist jedoch keine Einbahnstraße. „Conditio sine qua non“, also absolute Bedingung jedweder Hilfeleistungen muss ein tragfähiges und zukunftsweisendes Anpassungsprogramm für den hilfesuchenden Mitgliedstaat sein, das ihm rasch zu eigener Kreditwürdigkeit am Kapitalmarkt verhilft.

Weitere Fragen, die uns wichtig sind, können Sie dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17.03.2011 (BT-Drs. 17/4880 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/048/1704880.pdf , dem Beschluss des FDP Bundesparteitags vom 15.05.2011 http://www.fdp.de/files/1208/BPT-Europa_ist_Deutschlands_Zukunft.pdf und dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vom 10.6.2011 (BT-Drs. 17/6163 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/061/1706163.pdf , dem Entschluss der FDP-Fraktion vom 1.9.2011 http://www.fdp-fraktion.de/files/1228/Fraktionsbeschluss_Parlamentsbeteiligung-30-08-2011.pdf und der Bensberger Erklärung http://www.fdp-fraktion.de/files/1228/Bensberger_Erkla_rung.pdf entnehmen, auch der gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktionen http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/069/1706945.pdf wird Sie interessieren.

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Piltz