Frage an Gisela Piltz von Rainer S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Pilz!
Die FDP hat sich auf die Fahne geheftet, angeblich mißachtete Bürgerrechte wieder herzustellen.
Werden eigentlich alle Maßnahmen, welche die FDP vornehmen will mit den Sicherheitsbehörden abgestimmt und ist die Innere Sicherheit weiterhin gewährleistet.
Die technischen Möglichkeiten der Terroristen und mafiaähnlicher Syndikate sind doch jetzt schon besser, als die Möglichkeiten der Polizei.
Wären die Steuersünder unter einer FDP-Regierung genauso gestellt worden, wie es geschehen ist, wären die ertappten Kinderschänder genauso gefasst worden, wie es bisher geschehen ist und wären die Sauerland-Terroristen genauso verhaftet worden, wie es geschehen ist?
Die solide Beantwortung meiner Frage durch Sie als meine Abgeordnete der FDP ist für mich außerordentlich wichtig, da ich Angst habe, daß die FDP den Ernst der Lage verkennt.
Ein terroristischer Anschlag mit vielen vielen Toten lässt sich hinterher doch nicht mit einem in Trauerfalten gelegten Gesicht abtun.
MfG
Rainer Sann 65 Jahre
Sehr geehrter Herr Sann,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Kernpunkt der Sicherheitspolitik der FDP ist eine effiziente und effektive Rechtsanwendung durch eine sächlich und personell gut ausgestattete und gut ausgebildete Polizei. Einsparungen bei der Polizei lassen sich nicht durch noch so viele Überwachungsgesetze, nicht durch Überwachungskameras und auch nicht durch zunehmende Überwachungsmaßnahmen kompensieren.
Gerade die von Ihnen angesprochenen Fälle zeigen deutlich, dass die derzeitige schwarz-rote Politik verfehlt ist: Vor wenigen Wochen erklärte der sachsen-anhaltinische Oberstaatsanwalt Peter Vogt, der sich mit der Bekämpfung von Kinderpornographie einen Namen gemacht hat, seinen Rücktritt wegen der mangelhaften Personaldecke und der fehlenden IT-Kompetenz, was dazu führt, dass beschlagnahmtes Beweismaterial nicht ausgewertet und zur Ergreifung der Täter verwendet werden kann. Dies ist ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat. Beschlagnahmen nach geltendem Recht und unter strengen rechtsstaatlichen Voraussetzungen sind ein sinnvolles und notwendiges Mittel der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden. Im Unterschied zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen eröffnen sie die für den Rechtsstaat unbedingt erforderliche Möglichkeit, als Betroffener Rechtsmittel einzulegen, was bei einer Maßnahme, von der der Betroffene, wenn überhaupt, erst hinterher erfährt, regelmäßig naturgemäß eingeschränkt ist.
Im Fall der sog. Sauerland-Gruppe hat sich gezeigt, dass das geltende Recht den Ermittlungsbehörden bereits heute ganz erhebliche Möglichkeiten eröffnet, um effektiv für den Schutz der Bevölkerung von terroristischen Anschlägen zu sorgen. Die beteiligten Ermittlungsbehörden hatten jedoch mit veralteter Technik zu kämpfen, mit unzulänglicher Ausstattung und mit Personalmangel. Dies gilt es zu ändern. Neue gesetzliche Befugnisse helfen diesen Missständen in keiner Weise ab.
Die Verfolgung von Steuerstraftaten ist selbstverständlich ebenfalls notwendig. Steuerdelikte sind keine Kavaliersdelikte, sondern müssen im Rahmen des geltenden Rechts verfolgt werden. Die FDP hat die Abschaffung des Bankgeheimnisses jedoch scharf kritisiert. Der verdachtslose Zugriff auf Bankkontostammdaten ist zur effektiven Verfolgung von Steuerstraftätern nicht erforderlich. Vielmehr ist es notwendig, die zuständigen Finanzämter sowie das Zollkriminalamt personell besser auszustatten, damit diese Steuerbetrug schnellstmöglich aufklären können. Gerade das Zollkriminalamt verfügt über sehr weitgehende gesetzliche Befugnisse, deren weitere Ausdehnung mit Rechtsstaatsgrundsätzen unvereinbar wäre.
Die Verfolgung der Organisierten Kriminalität (Mafia) hat insbesondere in den vergangenen Jahren darunter gelitten, dass immer mehr Personal zur Verfolgung des internationalen Terrorismus abgezogen wurde und mithin die Abteilungen für Organisierte Kriminalität in besonderer Weise unter Personalmangel leiden. Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist aus unserer Sicht jedoch dringend notwendig und muss intensiviert werden. Das Entstehen mafiöser oder mafia-ähnlicher Strukturen muss konsequent verhindert werden. Die FDP hat scharf kritisiert, dass bisweilen, z.B. während des sog. Sauerland-Einsatzes, die personelle Besetzung der OK-Abteilungen bis auf ein Minimum verringert wurde. Zudem ist gerade in diesem Bereich eine bessere und effizientere Sicherheitsarchitektur erforderlich, die Reibungsverluste verhindert. Die Parallelzuständigkeiten von Zoll, Bundespolizei und Länderpolizeien z.B. bei der Bekämpfung von Schmuggel oder Menschenhandel tragen nicht zu einer effektiven Rechtsverfolgung bei. Hier muss eine grundsätzliche Reform durchgeführt werden, um Parallelzuständigkeiten zu vermeiden und unter strikter Wahrung der Grundrechte einerseits und der verfassungsrechtlichen Kompetenzregelungen andererseits die Polizeiarbeit zu verbessern.
Die FDP hat z.B. in Nordrhein-Westfalen die Polizei personell verstärkt. Dies ist aus unserer Sicht der richtige Weg. Videokameras steigen nicht von ihren Masten, wenn ein Kind entführt oder ein Mann zusammengeschlagen wird. In solchen Fällen hilft nur eine präsente Polizei, die schnell eingreifen kann, um Menschen zu schützen.
Sie können versichert sein, dass die FDP keinesfalls leichtfertig mit der Sicherheit der Menschen in Deutschland umgeht. Wir stehen für eine Innenpolitik, die die Grundrechte achtet und zugleich dafür Sorge trägt, dass die Grundrechte wie das Recht auf Leben, Freiheit der Person oder Eigentum geschützt werden. Freiheit und Sicherheit sind für uns kein Gegensatz. Eine Innenpolitik aber, die Sicherheit stets unverhältnismäßig zu Lasten der Freiheit erreichen will, findet nicht unsere Unterstützung. Die Freiheit kann man nicht schüzten, indem man Sie abschafft. Sie schreiben, dass Sie 65 Jahre alt sind. Unser Grundgesetz hat in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert, der Fall der Mauer den 20. Jahrestag. Die Entwicklung unseres Landes zu einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat haben Sie von Anfang an miterleben dürfen. Nach den schrecklichen Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur sowie der Unrechtsherrschaft in der DDR haben wir gelernt, dass Freiheit und Demokratie zerbrechlich sind und unbedingt bewahrt werden müssen. Die FDP steht dafür, dass den Menschen dies möglich ist und sie ohne Angst vor ständiger Überwachung frei leben können. Dass hierzu die Achtung und Durchsetzung von Recht und Gesetz Voraussetzung ist, ist selbstverständlich. Die FDP will die Polizei dazu befähigen, ihre Aufgaben im Rahmen des Grundgesetzes tatsächlich wahrzunehmen. Rechtsfreie Räume kann es im Rechtsstaat nicht geben. Begleitend setzt sich die FDP für ein modernes Beamtentum ein, damit die Polizei im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Piltz MdB