Frage an Gina Bechtold von Günther Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bechtold,
diese EU-Wahlen sind die vorerst letzten ohne Prozenthürde.
Frage:
Wenn es künftig um das Überspringen der 5 %-Hürde im Bund oder den Ländern geht ... würden Sie ein Bündnis aus "kleinen" Parteien befürworten, wenn:
1.
alle BündnisPartner so bleiben können, wie sie es möchten (also keine Verschmelzung stattfindet, sondern "nur" Kooperation auf Basis gemeinsamer Grundwerte erforderlich ist),
2.
es einen juristisch einwandfreien Weg gibt, mit einer "gemeinsamen Liste" zur Wahl anzutreten (also GG, PartG, BWahlG u. ä. Vorschriften berücksichtigt werden)
3.
die reelle Chance besteht, mit mindestens einem/einer Abgeordneten im Parlament vertreten zu sein (je nach Zuspruch/Wahlerfolg auch mehr) ?
Mit freundlichen Grüßen
G. Z.
Sehr geehrter Herr Ziethoff,
die Frage nach einer gemeinsamen Liste mehrerer Kleinparteien zu Bundestags- und Landtagswahlen wurde bereits vor Jahren diskutiert. Links- oder rechtsextremistische Parteien müssten ausgeschlossen werden. Kleinparteien aus dem Bereich Tierschutz/Tierrechte, Umwelt- und Naturschutz sowie humanistische und soziale Ansätze könnten aber durchaus harmonieren und sich ergänzen. Es müsste ein Schlüssel gefunden werden für die Aufteilung und Reihenfolge auf der gemeinsamen Liste. In einem Bundestag mit 598 Abgeordneten (ohne die Überhang-Mandate, die kleine Parteien benachteiligen) würde eine Partei mit 5,01% etwa 30 Abgeordnete stellen können – somit können mehrere Kleinparteien mit jeweils mehreren Abgeordneten vertreten sein. Die politischen Ziele dürften sich natürlich nicht allzu sehr widersprechen. Die faire Aufteilung der finanziellen Lasten wäre ebenfalls vertraglich zu regeln. Dem derzeitigen gesetzlichen Rahmen könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass die beteiligten Kleinparteien formal eine gemeinsame Partei bilden und ihre Mitglieder in diese einbringen. Die Satzungen – die Doppel-Mitgliedschaften meist ausschließen – müssten entsprechend angepasst werden. Die Mitglieder jeder beteiligten Partei müssten befragt werden, ob sie dem Verfahren zustimmen. Die beteiligten Kleinparteien müssten verbindlich zusichern, nicht parallel zu dem Zusammenschluss für einen bestimmten Zeitraum eigenständig zu Wahlen anzutreten. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Vereinigung auch wieder aufgetrennt werden kann, also die beteiligten Kleinparteien nicht aufgehen im Zusammenschluss. Denn es ist ausdrücklich ein Zweckbündnis auf Zeit, ein Versuch – der auch scheitern kann. Es ist durchaus denkbar, dass das Bündnis sehr viel weniger Stimmen bekommt als die bisherige Summe verschiedener eigenständiger Kleinparteien und man gemeinsam weit unter 5% landet. Somit eine durchaus interessante Idee zum gemeinsamen Überspringen einer hohen %-Hürde – organisatorisch aber auch nicht ganz einfach. Wie es dann weiter ginge, wäre zunächst offen. Der Zusammenschluss könnte im Falle des Einzugs ins Parlament und der Beteiligung an einer Regierungskoalition darauf drängen, die %-Hürde abzusenken. Gelänge das, wäre andererseits die Versuchung groß für sich stärker fühlende Partner, das Bündnis zu verlassen und bei der nächsten Wahl wieder eigenständig anzutreten. Nach der jetzigen Wahl zum 9. Europäischen Parlament, aber deutlich vor der nächsten Bundestagswahl in 2021, sollten solche Ideen diskutiert werden. Wir sind offen für eine solche Diskussion!
Mit freundlichen Grüßen
Gina Bechtold