Frage an Gesine Multhaupt von Lena D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Multhaupt,
da ich selbst Schülerin bin, werde ich täglich mit dem niedersächsischen Schulsystem konfrontiert. Hierbei stehe ich vor allem den curricularen Vorgaben des Kultusministeriums kritisch gegenüber. Besonders die folgenden Punkte halte ich für fragwürdig:
1. Die Belegungspflicht für SchülerInnen der Sekundarstufe II von vier Semestern Religion, aber nur zwei Semestern Politik.
2. Zu weit gefasste, unklar und allgemein formulierte Vorgaben im Lehrplan, bei denen man teilweise nur raten kann, worum es wirklich geht.
Ich bitte diesbezüglich um Ihre Stellungnahme.
Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Drees,
vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie Kritik an den curricularen Vorgaben für den niedersächsischen Schulunterricht äußern. Als Bildungspolitikerin und als Abgeordnete eines niedersächsischen Wahlkreises ist mir dieses Thema natürlich ein äußerst wichtiges Anliegen. Gleichwohl handelt es sich bei den von Ihnen aufgeworfenen Fragen um landespolitische Entscheidungen und Auseinandersetzungen. Aus diesem Grund habe ich Ihr Anliegen auch mit meinen niedersächsischen Parteikollegen, die für Bildungspolitik zuständig sind, erörtert und sie um eine Stellungnahme gebeten.
Die Gewichtung des Politikunterrichts wurde neu geregelt in der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (VO-GO) im Jahre 2005 unter der CDU-geführten Landesregierung. Auf Landesebene hat die SPD diese Neuregelungen scharf kritisiert, vor allem, weil ihnen kein stimmiges Gesamtkonzept zu Grunde liegt. Die Umstellung auf ein Abitur nach 12 Schuljahren ist jetzt so verwirklicht worden, dass kurzerhand die Zeit zum Abitur gekürzt und die Zahl der Stunden pro Schuljahr erhöht wurde. Verdichtung wurde produziert, wo eine methodisch-didaktische Neuorientierung nötig wäre. Wir kritisieren also, dass in der verkürzten Sekundarstufe II die meisten Fächer zeitlich gestrafft, und Lehrende und Schüler mit dem Problem eines „gestauchten“ Stundenplanes allein gelassen wurden.
Statt aber nun Fächer gegeneinander in Konkurrenz zu stellen und einzelne Umgewichtungen am Lernplan zu befürworten, setzt sich die SPD-Landtagsfraktion für ein bildungspolitisches Gesamtkonzept ein, das verstärkt Elemente eines schulischen Ganztagsangebots aufgreift und gleichzeitig eine Entschlackung und pädagogische Neugestaltung aller Fächer befördert, um sie den veränderten Anforderungen durch das Abitur in zwölf Jahren, das die SPD grundsätzlich befürwortet, anzupassen. Erst im Rahmen eines solchen stimmigen Konzeptes, wie es die SPD Niedersachsen mit ihrem Programm „Zukunft der Bildung“ vorgelegt hat, ergibt die Debatte um die Verpflichtungsbelegungen für einzelne Fächer für uns einen Sinn.
Ihre Kritik an den Verpflichtungsbelegungen für die Fächer Politik und Religion ist im Rahmen dieser Debatte ein wichtiger Impuls, ich teile sie im Grundsatz. Daher habe ich Ihr Schreiben meiner Kollegin Jutta Liebetruth weitergeleitet, sie wird es als Diskussionsimpuls in SPD-Arbeitsgruppen zur Bildungspolitik vorstellen, zunächst am 19. März auf Landesebene, am 20. März dann auf der Ebene der Bundespartei.
Zu Ihrer zweiten Frage, die die Vorgaben im Lehrplan betrifft, kann ich auf einen bildungspolitischen Erfolg meiner Partei in Niedersachsen verweisen, den die SPD-Fraktion in der Auseinandersetzung um die Schulpolitik in Niedersachsen erringen konnte: Unter dem Titel „Eigenverantwortliche Schule“ wird nun in Niedersachsen Lehrkräften, Erziehungsberechtigten und Schülern mehr Raum zur Mitgestaltung ihrer Bildungseinrichtung gegeben. Die in diesem Zuge konzipierten und eingerichteten Schulvorstände sind aus meiner Sicht ein guter Ansprechpartner für Fragen des pädagogischen Profils und konkretere Leitlinien einzelner Fächer, wenn diese im Curriculum nicht klar gefasst sind.
Die von Ihnen aufgeworfene Kritik an Vorgaben im Lehrplan kann ich also ebenfalls im Grundsatz nachvollziehen. Mit den gestalterischen Möglichkeiten, die die „Eigenverantwortliche Schule“ bietet, sehe ich aber hier auch eine Gelegenheit für alle Betroffenen, Einfluss auf die konkrete Umsetzung von Rahmenvorgaben zu nehmen.
Mit freundlichem Gruß
Gesine Multhaupt
Berlin, im März 2009
i.A. Joest Schmidt, Mitarbeiter