Frage an Gesine Multhaupt von Wolfgang T. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Multhaupt,
am 30.12. war der Leitartikel der NWZ: Rekord-Profit bei Energie, Konzerne kassieren bei Privathaushalten ab.
Auf der einen Seite gehören im europäischen Vergleich die deutschen Privathaushalte zu den Spitzenzahlern für Energie, auf der anderen Seite kassieren die Energie-Konzerne Rekordgewinne. Halten Sie die Maßnahmen der Regulierungsbehörde für ausreichend oder sollte Ihrer Meinung nach vergleichbar dem Telefonmarkt die Regulierung verschärft werden um mehr Wettbewerb und sinkende Preise zu ermöglichen ?
Mit Freundlichen Grüßen
Wolfgang Thoben
Sehr geehrter Herr Thoben,
ich bedanke mich für Ihre Frage zum Thema der Energie-Markt Regulierung. Sie haben Recht, oft ist es nicht leicht nachzuvollziehen, wie die ständigen Preissteigerungen auf dem Energiemarkt zustande kommen. Natürlich ist es nicht gerechtfertig, dass die großen Energieversorger Rekordgewinne einfahren und die Bürger schutzlos den unangemessen hohen Energiepreisen ausgeliefert sind. Dem gilt es, von politischer Seite her Einhalt zu gebieten.
Zum Jahreswechsel sind teilweise wieder Erhöhungen der Strom- und Gaspreise auf die Verbraucher zugekommen. Nur zeitverzögert werden die sinkenden Rohstoff- und Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergegeben.
Die Lage ist Folgende: Am 30.06.07 endete die Preiskontrolle durch die staatliche Prüfstellen der Länder. Diese können die neuen Preise nicht mehr überprüfen. Und genau in dieser Situation erfolgt die Strompreiserhöhungen insbesondere durch die großen Energiekonzerne. Die Energiekonzerne können überhöhte Preise verlangen, da es im Strom- und Gasmarkt noch keinen funktionierenden Wettbewerb gibt und die 4 großen Energiekonzerne immer noch 80% der Erzeugungskapazität im Strombereich halten.
Seit Mitte 2007 ist das Bundeskartellamt für die Überwachung der Strompreise zuständig. Um die Kontrollmöglichkeiten des Bundeskartellamts zu stärken, hat der Deutsche Bundestag eine Änderung des Wettbewerbsrechts beschlossen und die Missbrauchsaufsicht im Gas- und Strombereich verbessert. Der Deutsche Bundestag hat im November 2007 das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels verabschiedet. Der neue § 29 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) konkretisiert das geltende allgemeine Missbrauchsverbot für marktbeherrschende Strom- und Gasanbieter. Er soll es insbesondere den Kartellbehörden erleichtern, Preise zu untersagen, die die Kosten unangemessen überschreiten oder die Preise von Vergleichsunternehmen erheblich übersteigen. Im Kartellverfahren tragen die Unternehmen die Beweislast für die sachliche Rechtfertigung.
Demnach muss das Energieversorgungsunternehmen nachweisen, dass seine Preise gerechtfertigt sind. Bisher musste der Verbraucher nachweisen, dass die geforderten Preise überhöht sind. Von dieser Neuregelung profitieren die Kunden und dies stärkt auch den Verbraucherschutz. Die Vorschrift ist bis 2012 befristet.
Im Kern brauchen wir mehr Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten. Dafür hat die SPD bereits im Herbst 2006 ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Das wird nun umgesetzt.
Anfang November ist eine neue Regelung für einen wirtschaftlichen Netzbetrieb in Kraft getreten. Im Interesse der Energieverbraucher sorgen wir mit ihr für sinkende Kosten in den Strom- und Gasnetzen. Dazu werden Netzbetreiber an ihren effizienten Wettbewerbern gemessen. Aus diesem bundesweiten Effizienzvergleich werden Obergrenzen für die Erlöse der Netzbetreiber ermittelt und vorgegeben.
Das Land braucht neue Kraftwerke, vor allem von neuen Anbietern. Das fördert den Wettbewerb.
Dazu soll die seit Sommer geltende Kraftwerks-Netzanschlussverordnung beitragen. Mit ihr wird der Anschluss neuer Kraftwerke ans Stromnetz nicht nur garantiert, sondern auch beschleunigt und erleichtert.
Den flankierenden kartellrechtlichen Schutz brauchen wir, bis die strukturellen Maßnahmen für mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten in den nächsten Jahren Wirkung zeigen.
Damit aber nicht genug, wir müssen erreichen und dafür setzt sich die SPD auch mit Nachdruck ein, dass immer mehr neue Anbieter in den Strom- und Gasmarkt einsteigen und damit den Wettbewerb erhöhen. Einen wichtigen Beitrag hierzu haben wir mit dem EEG geleistet. So ist der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 14% in diesem Jahr gestiegen und damit ist das im Gesetz festgelegte Ziel von 12,5% bis 2010 frühzeitig erreicht. Mit der Novelle zum EEG wollen wir erreichen, dass der Anteil Erneuerbarer Energien kontinuierlich auf mindestens 27% bis 2020 weiter ansteigt. Zwar wird in der öffentlichen Diskussion insbesondere von den großen Energiekonzernen darauf hingewiesen, dass über die Förderung der Erneuerbaren Energien auch die Verbraucherpreise über die Umlage auf den Strompreis ansteigen. Richtig ist, dass im Jahr 2006 3,3 Mrd. Euro zur Förderung Erneuerbaren Energien auf den Strompreis umgelegt wurden. Verschwiegen wird in der Diskussion aber regelmäßig die Tatsache, dass die Erneuerbaren Energien einen Nutzen von ca. 9,3 Mrd Euro allein im Jahr 2006 erbracht haben. Dieser Nutzen setzt sich wie folgt zusammen: 1.) werden die Großhandelspreise um 5 Mrd. gesenkt, indem die Erneuerbaren Energien eine teuere fossile Stromerzeugung verdrängt, 2.) werden 0,9 Mrd. Euro über vermiedene fossile Brennstoffe gespart und 3.) können Umwelt- und Klimaschäden in Höhe von ca. 3,4 Mrd. Euro vermieden werden. Im Ergebnis tragen damit die Erneuerbaren Energien erheblich zur Dämpfung der Verbraucherpreise bei. Dieser Effekt wird in der Zukunft weiter zunehmen, da die Erneuerbaren Energien die preiswerten Energien der Zukunft seien werden und damit auch langfristig zur Stabilisierung der Verbraucherpreise beitragen können.
Neben staatlichen Kontrollen und der Förderung neuer Energieanbieter halte ich aber auch Entscheidungen der Verbraucher zum Wechsel ihres Stromanbieters für wichtig, um den Wettbewerb in Deutschland zu verstärken. Nicht alle Stromerzeuger haben ihre Preise erhöht und deshalb kann sich ein Wechsel für Sie als Verbraucher auch finanziell lohnen. Von der Möglichkeit zum Wechsel des Stromanbieters haben in den zurückliegenden Monaten viele Verbraucher Gebrauch gemacht. Damit wird es für die Energiekonzerne immer schwieriger, ihre überhöhten Preise auf dem Markt durchzusetzen. Wer neben der Senkung des Strompreises auch einen Beitrag zur umweltgerechten Stromerzeugung leisten will, sollte überlegen, ob er nicht gleich zu einem Öko-Stromanbieter wechseln sollte. Diese Anbieter sind häufig nicht teurer als der lokale Stromanbieter, in vielen Fällen sind die Ökostromanbieter sogar günstiger, ein Vergleich der Anbieter lohnt sich somit in jedem Fall.
Ich hoffe, hiermit Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben. Für meine Partei ist es essentiell, in Deutschland faire Energiepreise herzustellen. Daran werden wir festhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Gesine Multhaupt