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Frage von Günther S. •

Frage an Gesine Multhaupt von Günther S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Genossin Multhaupt,
bist Du für eine eventuelle Aufstockung des Bundeswehrkontingentes in Afganistan?
MfG. Günther Schmidt

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Antwort von
SPD

Lieber Günther,

ich bedanke mich sehr für Deine Frage. Ich habe in der Bundestagsabstimmung am 16.10. 2008 für die Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan gestimmt. Diese Entscheidung möchte ich Dir gerne erläutern.

In Reaktion auf die in der deutschen Öffentlichkeit immer kritischere Diskussion des deutschen Engagements in Afghanistan wurde im Oktober 2006 die "Task Force Afghanistan" als Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion mit dem Ziel gebildet, die Entwicklung in Afghanistan aufzuarbeiten. Es ging darum, nicht die Augen vor Fehlentwicklungen oder Tendenzen, die problematisch sind, zu verschließen, sondern den Ursachen hierfür nachzugehen und die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserungen der Lage zu benennen und bei der Regierung einzufordern. Der Abschlussbericht vom 07.September 2007 unterstreicht das Interesse Deutschlands an einer Stabilisierung Afghanistans, am friedlichen Wiederaufbau sowie an einem langfristigen Engagement, das dazu führt, dass Afghanistan nicht wieder zum sicheren Hafen für Terroristen wird.

( Unter http://spdfraktion.de/ ,Veröffentlichungen´ kannst Du die von der "Task Force Afghanistan" erarbeitete Broschüre herunter laden. )

Die internationale Gemeinschaft sieht sich dabei gewaltigen Herausforderungen gegenüber. Fehlentwicklungen und Rückschläge sind nicht zu übersehen: Die Sicherheitslage hat sich seit 2005 verschlechtert. Auch das Drogenproblem und die Korruption in der Regierung und Verwaltung Afghanistans fordern gewaltige Anstrengungen, um den Trend umzukehren. Die veränderte Sicherheitslage erfordert einen schnelleren Aufbau afghanischer Sicherheitsstrukturen und eine Verstärkung des deutschen Engagements bei der Ausbildung von afghanischer Polizei und Armee. Dazu war die Erhöhung der Obergrenze der deutschen ISAF-Kontingents auf 4.500 nötig. Die Mittel* für den Polizeiaufbau werden *in diesem Jahr *verdreifacht**:* auf 35,7 Millionen Euro.

Der Einsatz von ISAF in Afghanistan ist unverzichtbar für die Schaffung eines sicheren Umfeldes, in dem langfristig Stabilisierung und Entwicklung stattfinden können. Insofern verfolgt ISAF keine militärische, sondern eine politische Zielsetzung. In der Öffentlichkeit werden jedoch vorwiegend die militärischen Aspekte des Engagements diskutiert. Die Erfolge, die politisch und beim Aufbau erreicht wurden, geraten dabei oft aus dem Blickfeld. In einer unvoreingenommenen Bilanz dürfen aber auch sie nicht fehlen. Dazu gehört die Durchführung von freien Wahlen und die Entstehung von Verfassungsorganen. Seit Januar 2004 hat Afghanistan mit Hamid Karzai einen frei gewählten Staatspräsidenten, seit September 2005 gibt es auch erstmals ein in freien und allgemeinen Wahlen bestimmtes Abgeordnetenhaus. Afghanistan hat eine Verfassung, die den Frauen und Mädchen gleiche Rechte wie den Männern einräumt. Der Rückgang der Kindersterblichkeit und die Tatsache, dass mittlerweile 85% der Afghanen Zugang zur medizinischen Versorgung haben, zeigen z.B., dass das Gesundheitswesen bedeutsame Fortschritte gemacht hat. Erfolge gibt es z.B. auch im Bildungsbereich: 75% der Jungen und 35% der Mädchen gehen inzwischen zur Schule. Seit 2001 wurden landesweit 3.500 Schulen gebaut, die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich auf rund sechs Millionen mehr als verfünffacht. Die afghanische Wirtschaft kommt voran: Die Exporte steigen, das Bruttoinlandsprodukt wächst jährlich mit zweistelligen Raten. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 220 Euro verdoppelt. Auch wenn diese und weitere Fortschritte nicht ausreichen, sie eröffnen den Afghanen neue Chancen.

Davon konnte ich mich persönlich im letzten Jahr überzeugen. Ich besuchte unsere deutschen Soldaten vor Ort und schaute mir Ihre Arbeit an. Ich konnte mir ein sehr gutes Bild von der aktuellen Lage machen. Deshalb kann ich nun aus tiefster Überzeugung sagen, es ist eine gute Sache, für die wir uns in Afghanistan einsetzen. Es gibt Fortschritte und die Bevölkerung weiß die Arbeit unserer Soldaten insbesondere an der Zivilgesellschaft sehr zu schätzen. Afghanistan ist ein beeindruckendes Land mit einer tollen und herzlichen Bevölkerung. Diesen Menschen kommt es sehr zugute, dass wir uns für Ihre Sicherheit und die Entwicklung Ihres Landes einsetzen.

Es gibt keine einfache und keine rasche Lösung für das Problem Afghanistan. Deshalb fällt eine Entscheidung für oder gegen einen internationalen Einsatz niemandem leicht. Jeder weiß, die Arbeit in Afghanistan ist nicht einfach und alles andere als ungefährlich. Dennoch ist die Bundesrepublik Deutschland hier im Wort. Es geht im Kern um zwei Dinge: um die Zukunft Afghanistans und um unsere eigene Sicherheit. Die afghanische Bevölkerung vertraut auf deutsche Hilfe und die internationale Gemeinschaft auf unsere Solidarität. Ein Abzug zum jetzigen Zeitpunkt würde die geleistete Arbeit in Frage stellen und erhebliche negative Folgen haben: Für die Afghanen und unsere Partner wie für uns selbst. Verantwortbar ist dies erst, wenn sichergestellt ist, dass Afghanistan aus eigener Kraft für Frieden und Sicherheit seiner Bevölkerung sorgen kann.

Mit sozialdemokratischen Grüßen

Gesine Multhaupt,