Frage an Gesine Multhaupt von Theo H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Multhaupt,
ich besitze eine Radwanderkarte, die Sie einst im Wahlkampf verteilten. In der Karte muss ich, wie Sie kürzlich der Nordwest-Zeitung mitteilten, möglicherweise schon bald eine neue Linie einzeichnen, welche dann einige der empfohlenen Strecken durchkreuzte.
Die Nachteile der Küstenautobahn sind bekannt: Das Projekt verschlingt viel Geld, das an anderer Stelle möglicherweise viel effektiver zur Schaffung "wirtschaftlicher Impulse" hätte eingesetzt werden können. Sehr viel Fläche wird geopfert. Dadurch fehlt Land, das auf andere Weise wirtschaftlich nutzbar gewesen wäre, und vor allem geht wieder Landschaft verloren, welche noch wertvoller Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Menschen sein sowie den Charakter und die Identität einer Region darstellen kann.
Ein eindeutiger allgemeiner Nutzen der A22 für unsere Küstenregion ist für mich derzeit nicht erkennbar. Als Ammerländer frage ich mich zudem: Wird insbesondere unser Kreis wirklich mehr Vor- als Nachteile von dieser Autobahn haben? Vermutlich würde nur ein recht kleiner Bevölkerungsanteil im Ammerland davon profitieren, dass man durch eine Verbindung von Westerstede und Wesertunnel bestenfalls schätzungsweise 30 Minuten schneller am Ziel ist. Dagegen sehe ich z.B. für den hier wichtigen Wirtschaftsfaktor Fremdenverkehr eher Beeinträchtigungen. Sollten das Ammerland und Oldenburg nicht in erster Linie darauf achten, dass die Bahnstrecke nach Wilhelmshaven garantiert so ausgebaut wird, dass sie eine echte Alternative zum Lkw-Verkehr sein kann?
Eine neue Ost-West-Strecke an der Küste ist für mich durchaus auch als direkte Konkurrenz für unsere Hafenstädte vorstellbar. Wenn wir jedoch etwa Wilhelmshaven oder Bremerhaven eine etwas bessere Anbindung an den Südwesten nicht vorenthalten wollen, ginge es dann nicht "eine Nummer kleiner", etwa mit einer gut und sicher (z.B. wechselseitig zweispurig) ausgebauten Bundesstraße?
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
Theo Hoyer
Sehr geehrter Herr Hoyer,
gern möchte ich zu Ihrem Beitrag zum Thema der geplanten Küstenautobahn A22 Stellung nehmen.
An erster Stelle führen Sie an, dass die geplante Trasse sehr hohe Investitionen notwendig macht, die Ihrer Meinung nach besser zur Schaffung anderer wirtschaftlicher Impulse verwendet werden könnten. In diesem Punkt muss ich Ihnen widersprechen, denn gerade die Funktion der A22 als Bestandteil einer leistungsfähigen Hinterlandanbindung des Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven rechtfertigt doch die Ausgaben als Investitionen in einen nachhaltigen Impuls für die regionale Wirtschaft. Um ein zuverlässiges Funktionieren und sichere Wachstumsmöglichkeiten für den an der Jademündung entstehenden Tiefwasserhafen zu gewährleisten, bedarf es einer Verkehrsinfrastruktur mit ausreichender Kapazität um den Güterabfluss zu den Absatzzentren sicherzustellen. Eins dieser Absatzzentren wird neben beispielsweise dem Ruhrgebiet, dessen Erreichbarkeit auf der Straße durch die A31 gewährleistet ist, ganz sicher der Hamburger Raum sein. Dem dortigen, heute noch größten und umschlagsstärksten Seehafen der Bundesrepublik sind aufgrund des nicht ohne Grenzen zu vertiefenden Elbfahrwassers natürliche Grenzen hinsichtlich Größe der anlaufenden Schiffe gesetzt. In Wilhelmshaven, schon heutige einziger Anlandepunkt für Supertanker an deutschen Küsten, stellt sich dieses Problem nicht. Doch nicht nur der Jade-Weser-Port, auch die meines Erachtens dringend notwendige Entlastung der A1, insbesondere im Bereich zwischen Bremen und Hamburg, sowie des Hamburger Stadtgebietes (Elbtunnel) tragen zur Notwendigkeit der Küstenautobahn bei.
In Ihrem Schreiben bezweifeln Sie, dass die direkten Anrainergemeinden der Autobahn sowie der Fremdenverkehr im nordwestlichen Niedersachsen einen direkten Nutzen von der neuen Strecke haben werden. Ich bin der Meinung, dass eine gute Autobahnanbindung einer Region immer auch neue Schubkraft für die ansässige Wirtschaft und auch Impulse für mögliche Neuansiedlungen birgt. Eine ausgebaute Verkehrsinfrastruktur ist heute ohne Frage ein klarer Standortvorteil und oftmals in hohem Maße mitentscheidend bei der Standortwahl. Auch auf den Fremdenverkehr kann eine bessere Erreichbarkeit der Feriengebiete an der Nordseeküste durchaus positive Auswirkungen haben. Individualreisende wie z.B. Camper oder Wochenendurlauber machen einen nicht unerheblichen Anteil des Touristenaufkommens in der niedersächsischen Küstenregion aus. Für eben diese Besucher wird die Attraktivität unserer Urlaubsregionen ganz sicher durch eine bessere Erreichbarkeit noch verstärkt. Als beispielhaft hierfür kann man die Entwicklung seit der endgültigen Freigabe der A31 betrachten.
Sehr geehrter Herr Hoyer, ohne Frage muss unser Augenmerk trotz der Befürwortung des Neubaus darauf liegen, die Autobahnen nachhaltig zu entlasten und den Schwerlastverkehr auf die Schiene zu verlagern. Ich beobachte die Planungen zum Ausbau der Bahnstrecke Wilhelmshaven-Oldenburg-Bremen seit deren Beginn genau und engagiere mich vielseitig in dieser Thematik. Dennoch kann die Bahn mit der vorhandenen Infrastruktur keine leistungsfähige - auch von Ihnen im Kern befürwortete - Ost-West-Verbindung im Verlauf der Nordseeküste anbieten. Nicht zuletzt aus diesem Grund sehe ich die vernünftigste Lösung in der Kombination Bahnstreckenausbau und Neubau der Autobahn A22 um die Region als zukunftssicheren Wirtschaftsstandort zu positionieren. Ihre Sorge gilt auch den Umweltaspekten im Zuge der Trassierung. In meiner Arbeit konnte ich mich selbst davon überzeugen dass dieser Problematik im Zuge des Planungsverfahrens größtes Gewicht verliehen wird. Gerade für den Bereich zwischen Wesertunnel und Westerstede sind verschiedenste Streckenführungen in der Diskussion, die gerade auch unter Umweltschutzgesichtspunkten auf ihre Verträglichkeit hin untersucht werden. Die von Ihnen vorgeschlagene Alternative einer Bundesstraße halte ich aufgrund des ähnlichen - wenn auch mit geringeren Kosten verbundenen - Bauaufwandes und der im Vergleich zur vierstreifigen Autobahn deutlich geringeren Verkehrskapazität für ungeeignet.
Mit freundlichen Grüßen,
Gesine Multhaupt, MdB