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Frage von Thomas Z. •

Frage an Gesine Multhaupt von Thomas Z. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Multhaupt,

als Vater zweier schulpflichtiger Kinder und Elternvertreter in verschiedenen Schulgremien interessiert mich Ihre Position zu folgenden Themen:

- Frühbildung in Kindertagesstätten
- Übergang Kindergarten/Grundschule
- Rolle und Position der Grundschule im Bildungswesen
- Ganztagsschule
- Gliederung des Schulwesens in verschiedene Schulformen.

Für Ihre Antwort darf ich mich schon jetzt herzlich bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Zielke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zielke,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Gern beantworte ich Ihre Fragen, die Sie im Dezember an mich gerichtet haben.

*Frühbildung in Kindertagesstätten und Übergang zur Grundschulen:*

Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung kann gar nicht genug betont werden. Wir brauchen eine starke frühkindliche Förderung eines jeden Kindes unabhängig von seiner sozialen Herkunft. Nur so können herkunftsbedingte Benachteiligungen frühzeitig ausgeglichen werden. Denn frühe Förderung entscheidet über Bildungs- und damit Lebenschancen. Dazu gehört auch, den Spracherwerb von Kindern im Vorschulalter zu fördern. Viele Kinder weisen zum Schuleintritt Förderbedarf in Sprachentwicklung und Spracherwerb auf. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist jedoch für eine erfolgreiche Ausbildung unverzichtbar. Deshalb müssen die Vorschuljahre für die Sprachförderung deutlich intensiver genutzt werden. Im Kindergartenalter kann erheblich dazu beigetragen werden, Fähigkeiten und Talente zu entwickeln und Kreativität und Entdeckergeist zu fördern. Die Kindertagesstätten sind unverzichtbar für die Entwicklung eines verlässlichen Systems zu Qualitätssicherung der Bildung.

Die SPD ist der Meinung, dass dem Übergang vom Kindergarten in die Grundschule eine höhere Bedeutung als bisher beigemessen werden muss. Die Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen soll gefördert werden, damit keine Brüche in der Bildungsbiographie der Kinder entstehen und eine Kontinuität im Bildungs- und Lernprozess erreicht wird.

Die SPD nimmt den Bildungsauftrag der Kindergärten ernst. Mit dem von uns auf den Weg gebrachten Tagesbetreuungsausbaugesetz werden bis 2010 rund 230.000 zusätzliche Plätze in Kindergärten, Krippen und in der Tagespflege entstehen. Das bedeutet eine bessere Betreuung und frühere Förderung für die Kinder.

Das Bildungssystem muss von Anfang an für alle zugänglich sein. Wir wollen bis 2010 den Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr verwirklichen. Dieser Ansatz findet sich auch in der „Bremer Erklärung“ wieder. Dazu ist das Vorhaben, das letzte Kindergartenjahr als betragsfrei festzuschreiben, ein erster wichtiger Schritt. Angestrebt wird eine schrittweise Einführung der Beitragsfreiheit für den gesamten Kindergarten.

Die Reformen in der Schulpolitik müssen dahingehen, dass Schulen ein höheres Maß an Selbstständigkeit und Selbstverantwortung in den Bereichen der pädagogischen Profilbildung der Schule, der Gestaltung des Unterrichts, der selbstständigen Verwaltung eines Budgets und der Freiheit über Personalentscheidungen erhalten.

*Ganztagsschule:*

Ganztagsschulen ermöglichen mehr Zeit zum Lernen und Leben in der Schule und unterstützen die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen. Sie bieten einen besseren organisatorischen und zeitlichen Rahmen für eine individuelle Förderung und können erheblich zur Qualitätsverbesserung der schulischen Bildung beitragen.

Alle Kinder und Jugendlichen – ob sozial und kulturell benachteiligt oder privilegiert – können von der Ganztagsschulform stark profitieren. Die Ganztagsschule versteht sich als ganztägiges Bildungsangebot mit mehr Unterricht und Lerngelegenheiten. Sie bietet verlässliche Lern- und Unterrichtszeiten, zugleich aber auch Zeiten des sozialen Lernens und Erfahrens. Mit ihr wird die Schule zum Lern- und Lebensort. Ein ausreichendes Angebot von Freizeitmöglichkeiten sowie eine für alle bezahlbare Essensversorgung sind ebenso wichtige Elemente wie die Öffnung der Schule in die Lebenswelt der Kinder hinein. So werden durch die Zusammenarbeit mit Sportvereinen, Musikschulen, Volkshochschulen, Betrieben aus der Nachbarschaft, mit Künstlerinnen und Künstlern, mit Kirchen, Umweltorganisationen, Seniorenheimen oder freien Trägern der Jugendhilfe neue Lernorte erschlossen. Die Ganztagsschule bietet zugleich den Rahmen für eine veränderte Pädagogik. Im Kontext wachsender Heterogenität in der Schülerschaft gewinnt die Kooperation zwischen Schulen und anderen Partnern immer mehr an Bedeutung. Die Ganztagsschule ist multiprofessionell – in ihr arbeiten Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Erzieher und Schulpsychologinnen und -psychologen Hand in Hand. Die Ganztagsschule ermöglicht ein neues Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe. So können z.B. auch Angebote der Jugendhilfe eingebunden werden, die jugendliche Schulverweigerer wieder an die Schule heranführen.

Mit dem Ganztagsschulprogramm werden die Länder bis 2008 mit 4 Mrd. Euro zur Einrichtung von 10.000 zusätzlichen Ganztagsschulen gefördert. Es ist vor allem Aufgabe der Länder diesen sinnvollen Weg fortzusetzen.

Auch in Oldenburg und im Ammerland konnten bereits Ganztagsschulen mit Bundesmitteln aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) gefördert werden. Für den Ganztagsschulbetrieb wurden mehrere Millionen Euro für Baumittel und notwendige Ausstattungen von Oldenburger und Ammerländer Schulen aufgewendet.

*Gegliedertes Schulsystem:*

Die Entscheidung über die Einteilung der Schule in Hauptschule, Realschule und Gymnasium obliegt den Ländern.

Das dreigliederige Schulsystem gibt es in dieser Form seit den 60er Jahren. Glücklicherweise ist die starre Trennung der Schulformen inzwischen durchlässiger geworden. Gerade Schüler mit schlechten Bildungschancen, zum Teil mit Migrationshintergrund, wird es aber oftmals noch schwer gemacht, an eine Realschule oder an ein Gymnasium zu wechseln. Die soziale Herkunft spielt bei unserem Bildungssystem immer noch eine viel zu große Rolle.

Das dreigliederige Schulsystem abzuschaffen wäre zurzeit mit einem zu hohen Aufwand verbunden. Ein plurales Schulsystem in den Städten und Gemeinden, in dem die Gesamtschule neben dem dreigliederigen Schulsystem existiert, ermöglicht zudem eine individuelle Beschulung für jedes Kind. Außerdem muss eine adäquate Bildungseinrichtung für Lernschwache beibehalten werden. Die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen muss weiterhin verstärkt werden. Gerade in Niedersachsen wird die SPD in den kommenden Monaten erneut die gegenwärtige Situation analysieren und auch in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern neue Wege erörtern. Auf dem außerordentlichen Landesparteitag hat die niedersächsische SPD im Juni 2006 ihr neues Bildungskonzept beschlossen. Zentrale Punkte sind die Förderung der frühkindlichen und vorschulischen Bildung, Erziehung und Betreuung in Krippen und Kindergärten sowie die gemeinsame Beschulung aller Schülerinnen und Schüler bis zur 10. Klasse. Gemeinsames Lernen und individuelle Förderung stehen dabei in engem Zusammenhang.

Heute müssen wir uns mit dem schlechten Ruf der Hauptschule auseinandersetzen. Ich möchte aber auch betonen, dass Hauptschulen, trotz berechtigter Kritik, immer noch stark unterbewertet werden. Gerade in Oldenburg wird an den Hauptschulen eine gute und engagierte Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer geleistet. Für eine Aufwertung der Hauptschule ist jedoch auch eine gezielte Förderung notwendig. Von den oben bereits erwähnten Fördermitteln des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ konnten erfreulicherweise die Hauptschulen besonders profitieren.

Sehr geehrter Herr Zielke, ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung.

Gesine Multhaupt, MdB