Frage an Gesine Multhaupt von Gerrit K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Multhaupt,
ich würde gerne Wissen wie sie zur geplanten Änderung des Telemediengesetzes stehen. Wie Ihnen sicherlich bekannt sein wird, soll dadurch die Möglichkeit geschaffen werden Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalt zu sperren.
Wie allerdings schon von vielen Experten aufgezeigt worden ist, ist es leider kein Problem diese Sperren zu umgehen. Hier frage ich mich, warum man sich dennoch erhofft, durch die Sperrung Kinderpornographie eindämmen zu können. Auch besteht die Gefahr, dass die Sperrliste unerlaubt an die Öffentlichkeit gelangen, wie bereits in den skandinavischen Ländern geschehen. Dadurch wird dann jedem Pädophilen die mühsame Suche im Internet erspart. Den Opfern wird dadurch nicht geholfen. Glücklicherweise scheint es der Fall zu sein, dass die primäre Verbreitung von Kinderpornographie über andere Weg geschieht.
Ich halte es daher für viel sinnvoller, dass Server mit Kinderpornographie direkt gesperrt werden. Die skandinavischen Listen haben auch gezeigt, dass 96% der Server in Ländern (USA, Europa) stehen, in denen dies ohne großen Aufwand möglich ist.
Auch wird mit dem Gesetz ein Instrument geschaffen, dass die Zensur von Internetseiten möglich macht. Die Liste der gesperrten Seiten wird vom BKA erstellt und ist geheim. Es gibt keinerlei richterliche oder andere unabhängige Kontrolle. Ich halte die Gefahr der Zensur für sehr real, da bereits Vorschläge gemacht worden sind, was neben Kinderpornographie ebenfalls auf die Liste sollte.
Ich sehe hier den Versuch unter einem Deckmantel ein Zensurmechanismus einzuführen, der für weitere Verwendung ausbaufähig sein soll. Hier besteht die Gefahr, dass die Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden.
Ich würde daher gerne wissen, ob Sie vorhaben dem Gesetz zuzustimmen, und falls dies der Fall ist, welche Argumente Ihrer Meinung dafür sprechen. Die Bekämpfung von Kinderpornographie kann es meiner Meinung nicht sein.
Mit freundlichen Grüßen
Gerrit Kuhlmann
Sehr geehrter Herr Kuhlmann,
ich bedanke mich für Ihre Frage, zu welcher ich natürlich gerne Stellung nehmen möchte.
Wir verabschiedeten im Juni 2009 das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen, welchem ich auch zugestimmt habe. Sie sehen die Gefahr, dieses Gesetz diene lediglich dazu eine Infrastruktur zu schaffen, die auch später für die Sperrung anderer, beliebiger Inhalte genutzt werden könnte, was mit Zensur gleichzusetzen sei. Dies möchte ich entschieden zurückweisen, Ihnen aber gerne erklären, was meiner Fraktion bei dieser Gesetzesentscheidung in Bezug auf die Bekämpfung von Kinderpornographie wichtig war.
Es ist doch klar, wir alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die SPD hat bereits ein umfassendes Konzept mit konkreten Maßnahmen hierzu vorgelegt, welches unter Anderem beinhaltet, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird. Die Verbreitung von Kinderpornographie ist ein aufgrund der gegebenen Besonderheiten des Internets schwer in den Griff zu bekommendes Problem. Wie können wir die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte im Internet dennoch angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv bekämpfen?
Fakt ist: Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes wurden Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt, welche sich auf deutschen Servern befanden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Die Frage nach Zugangssperren stellt sich demnach nur, weil ein solcher Zugriff im Ausland nicht möglich ist.
Im Vorfeld der Abstimmung zu dem Gesetz konnte die SPD-Fraktion ihre wichtigsten Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen. Diese beinhalteten auch die wesentlichen Kritikpunkte, die sich im Laufe des Gesetzgebungsprozesses ergeben hatten.
Der endgültige Beschluss hat unter Anderem folgende wichtige Änderungen gebracht.
1. „Löschen vor Sperren“:
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.
2. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
3. Spezialgesetzliche Regelung:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll.
Der Änderungsantrag geht damit auf die von Ihnen geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.
4. Befristung:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.
Sie haben außerdem angesprochen, dass das Umgehen eingeführter Sperren für versierte Nutzer technisch möglich ist. Dies ist richtig. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass alle so handeln werden. Letztlich wird es von der kriminellen Energie des Einzelnen abhängen, inwieweit er sich abschrecken lässt. Es können vermutlich besonders diejenigen erreicht werden, die den Einstieg in den Konsum kinderpornographischer Inhalte suchen. Gerade sie sollen über die Umleitung auf die Stoppmeldung deutlich signalisiert bekommen, dass die Gesellschaft ein solches Verhalten nicht toleriert. Zumindest bei einem Teil der Betroffenen kann dies nach Einschätzung von Experten durchaus Wirkung zeigen. Dazu dient auch der Hinweis auf die Strafbarkeit des Verhaltens.
Mit freundlichen Grüßen
Gesine Multhaupt