Wie lässt sich Eigenverantwortung in der Ernährungspolitik (Stichwort "Zuckersteuer") mit den Belastungen der Krankenkassen in Einklang bringen?
Sehr geehrter Herr Hocker,
Sie und die FDP lehnen die Zuckersteuer ab, da sie Ihrer Meinung nach:
als Bevormundung empfunden würde,
die Eigenverantwortung der Bürger unterminiert,
und insbesondere einkommensschwächere Gruppen belastet.
Als jemand, der liberale Prinzipien teilt, stimme ich diesen Argumenten grundsätzlich zu. Allerdings sehe ich ein Problem darin, dass die Folgen eines übermäßigen Zuckerkonsums am Ende von den gesetzlichen Sozialversicherungen (wie Krankenkassen und Arbeitslosenversicherung) getragen werden müssen.
Aus meiner Sicht wäre ein geringfügiger, zumutbarer Eingriff in die individuelle Freiheit dann gerechtfertigt, wenn er langfristig dazu beiträgt, die Kosten für diese Sozialversicherungen zu senken. Es erscheint mir widersprüchlich, auf Eigenverantwortung zu pochen, wenn die finanziellen Folgen letztlich von der Allgemeinheit getragen werden.
Wie betrachten Sie diesen Zielkonflikt?
Die Verantwortung für seine Ernährung liegt immer zuerst bei jedem Menschen selbst. Er hat in Deutschland die Möglichkeit, aus Millionen von hochwertigsten Lebensmitteln auszuwählen, über deren Inhaltsstoffe sehr hohe Transparenz besteht. Noch nie war die Lebensmittelsicherheit, noch nie war die Transparenz darüber, was sich in der Verpackung befindet, so groß wie heutzutage. Der Anspruch einer freiheitlichen Gesellschaft muss deshalb sein, dass Verbraucher auf Grundlage der umfänglichen Informationen selbstbestimmte Entscheidungen treffen. Dass selbstbestimmt dabei nicht immer gesundheitsbewusst heißt, kann bei Statistiken zum Übergewicht und daraus resultierenden Krankheiten niemand leugnen. Wir müssen den Menschen aber auch unvernünftige Entscheidungen zugestehen, solange diese aus freiem Willen erfolgen und Dritten keinen Schaden zufügen. Eine entscheidende Frage bei der Zuckersteuer ist deshalb, ob sie überhaupt eine Wirkung entfalten, also zum Beispiel die Häufigkeit von Diabetes senken würde. Nach meiner Kenntnis gibt es keine Studienergebnisse, die zeigen, dass die Diabetesinzidenz durch eine Zuckersteuer reduziert werden kann. Darüber hinaus könnte eine Zuckersteuer auf bestimmte Produkte wie Softdrinks durch Ausweichen auf unbesteuerte Nahrungsmittel umgangen werden. Vor diesem Hintergrund verkommt eine Zuckersteuer lediglich zu einer weiteren Einnahmequelle von Steuermitteln für den Staat und muss aus liberaler Sicht abgelehnt werden. Eine gesunde Ernährung ist eine abwechslungsreiche Ernährung. Letztlich muss die Kalorienaufnahme zu den persönlichen Lebensumständen, etwa sportlichen Aktivitäten, passen. Dann ist kein einzelner Inhaltsstoff, etwa Zucker, für sich genommen gesundheitsschädlich. Nicht zuletzt spielt beim Essen neben der bloßen Sättigung auch der Genuss eine entscheidende Rolle. Deshalb gehört zum Beispiel etwas Süßes gelegentlich dazu.