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Gerlinde Schermer
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Frage von Jörg W. •

Frage an Gerlinde Schermer von Jörg W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Schermer,

an den Volkshochschulen in Berlin arbeiten 600 Dozent/innen arbeitnehmerähnlich, d.h. wir arbeiten hauptberuflich in der Weiterbildung, z.B. in Integrationskursen oder Computerkursen, werden aber über Stunden-Honorare bezahlt.

Wir arbeiten in permanent unsicheren Arbeitsverhältnissen und ohne grundlegende soziale Absicherungen wie z.B. eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz u.ä.
Die Honorare sind dabei nicht annähernd hoch genug, um eine private Absicherung bezahlen zu können.

Aus diesem Grunde streben die Gewerkschaften verdi und GEW, in denen viele von uns Mitglieder sind, Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Dozent/innen an.

Würden Sie als Abgeordnete unsere Forderung nach einer Verbesserung unserer prekären Arbeitsverhätnisse unterstützen ?

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Wagner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wagner,

mir ist bekannt, dass die Mehrheit der Dozenten an den Volkshochschulen als Selbständige arbeiten und ihre Leistung über Honorare bezahlt werden. Ich gehe davon aus, dass der Grund für diesen Zustand einerseit dem Spardruck an den VHS und andererseits auch dem Bedürfnis nach selbständiger Arbeit geschuldet ist. Politisch bewerte ich die Angelegenheit so, dass durch den Abbau von fest angestellten Lehrkräften, die auch sozialversichert waren, der Kostendruck an die selbständigen Dozenten weitergegeben wurde. Genau die falsche Richtung in einer neoliberal ausgerichteten Welt, wie er nicht nur hier, sondern an vielen Stellen passierte. Die Abnahme der normal sozialversicherten Beschäftigtenverhältnisse in ganz Deutschland liegt auch darin mitbegründet.

Durch diese Praxis muss jeder Selbständige (also auch die Dozenten) sich selbst krankenversichern und da er/sie ja nun auch den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung selbst bezahlen muss, hat sich der Staat komplett aus dieser Verantwortung herausgestohlen. Die Krankenversicherung erhebt auf der sogenannten Mindestbemessungsgrundlage einen Beitrag unabhängig davon, wieviel der Selbständige tatsächlich verdient. Eine Angelegenheit, die ich schon lange kritisiere und geändert haben möchte.(Bundesrecht). In 2011 liegt diese Mindesbemessungsgrundlage bei 1.916,25 € (für hauptberuflich Selbstständige). Das ist eine Brutto-Einkommen, was viele Selbständige, auch Dozenten oft gar nicht erreichen. Mir sind Honorare von 10,00 €/h bis 23 €/h bekannt. Den Selbständigen wird also trotz schlechter Bezahlung die Last der Krankenversicherung allein aufgebürdet. Damit bleibt wenig für die Altersvorsorge übrig.

Da über Jahre dieser Zustand stillschweigen akzeptiert wurde, ist es dringend nötig, zusammen mit der GEW/Ver.di dafür einzutreten, dass die Honorarverträge der Volkshochschulen den tatsächlichen Kosten, des/der Dozent/innen angepasst werden. Ähnliche Probleme gibt es für die nicht fest Angestellten bei Zeitungen, Fernsehen und Rundfunk. Überall wird der Kostendruck der "Sparprogramme" an die Menschen weitergegeben. Deshalb können wir auch dort Verbündete gegen diesen Entsolidarisierungs- Kurs finden. Da bin ich ganz an Ihrer Seite! Es klingt vernünftig Tarifverträge- für arbeitnehmerähnliche Dozent/innen- zu erkämpfen. Ich wäre Ihnen dankbar mehr über das genaue Vorhaben zu erfahren. Noch besser fände ich es, wieder sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze an den VHS zu schaffen und dafür zu kämpfen.

Es kommt jetzt darauf an, den berechtigten Widerstand gegen den Sozialabbau zu bündeln, sich auf ein, zwei Forderungen zu einigen und dann gemeinsam dafür in den Kampf zu ziehen. Ich versichere Ihnen, dass kluge Argument im Stillen nicht ausreichen werden. Der Kampf um eine auskömmliche Bezahlung muss auf die Straße, gerade von gut ausgebildeten Menschen erwarte ich das, sonst geht der Abbau weiter! Wir können gemeinsam Verbündete suchen und finden. Ich bin dazu bereit.

Denn wer ist Schuld an der Misere? Wem nützt es, wenn Sie so schlecht bezahlt werden? Die Parlamente, die über den Haushalt entscheiden, sind unter Druck. Sie sagen - es ist kein Geld da z.B. Berlin 63 Mrd.€ Schulden hat, also bekommen die VHS entsprechende Zuweisungen und Kürzungen per Sparprogramm verordnet. Man feiert ab, dass man die Schuldenbremse durchsetzt, aber um welchen Preis?

Deshalb müssen wir auch solche Fragen diskutieren und dürfen uns nicht darum herumdrücken auch die Sparprogramme und die Schuldenbremse in Frage zu stellen. Ich tue das. Denn das Geld aus dem Haushalt für die Zinszahlungen an die Banken ist immer da! Warum? Das sind auch Schulden die Frau Merkel gemacht hat, als sie in der EU Versprechen für die Finanzmärkte abgab. Der Verweis auf hohe Schulden entlässt Politiker nicht der Verantwortung auch sinnvoll Geld auszugeben - und neue Schulden zu machen, wenn es dem Gemeinwesen nützt. Berlin kann sich allein niemals von diesem Schuldenberg befreien - dafür müssen volkswirtschaftliche Lösungen gefunden werden. Das allgegenwärtige Lohndumping macht das Leben für große Teile der Bevölkerung unerträglich und schadet unserem Gemeinwesen.

Ich lade Sie herzlich ein an der Veranstaltung mit den beiden GEW Vorsitzenden teilzunehmen: 8. September 2011 19.00 - 21.00 Uhr Diskussionsveranstaltung Bildung mit GEW Ort: Altes Rathaus, Raum 300, Petersburger Straße 86-90, Berlin Da geht es um die Finanzierung der Bildung in Berlin und das "Spardiktat".

und ein weiterer Termin am gleichen Ort: 25. August 2011 19.00 - 21.00 Uhr GewerkschafterInnen gegen Privatisierung & Deregulierung für Gerlinde Schermer

Mit freundlichen Grüßen

Gerlinde Schermer