Frage an Gerald Häfner von Marcus K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Häfner,
wie stehen Sie zum Vorschlag für die Saatgutverordnung, die EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg am 06.05.2013 vorgelegt hat?
Herzlichen Dank,
Sehr geehrter Herr Marcus Kaiser,
ich möchte mich herzlich für Ihr Schreiben vom 7. Mai 2013 zum Kommissionsvorschlag zur Saatgutverordnung bedanken. Der am 6. Mai 2013 von der Europäischen Kommission (Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz) vorgestellte Vorschlag hat schon im Vorfeld heftige Spekulationen hervorgerufen und ist zu umfangreich, als dass bereits jetzt alle Details seriös bewertet werden könnten. Fest steht aber, dass Nachbesserungen zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz der Interessen von KleinzüchterInnen dringend notwendig sind.
So schafft die Vorlage der EU-Kommission für ein neues, europaweites Saatgutrecht große Schwierigkeiten für all jene ZüchterInnen, die sich seit Jahren um mehr Artenvielfalt im Acker-, Obst- und Gemüseanbau kümmern. Mit der Vereinheitlichung des Rechts, das die gegenseitige Anerkennung des nationalen Rechts ablösen soll, werden teure europaweite Zulassungsverfahren nötig. Das schwächt gerade die vielen innovativen mittelständischen Zuchtunternehmen, die sich diese Verfahren nicht werden leisten können.
In Bezug auf den Erhalt der Sortenvielfalt muss verhindert werden, dass alte Sorten zum Nischenprodukt werden. Auch darf es nicht sein, dass zukünftig beispielsweise ökologisches Saatgut aufgrund einer – aus EU-Sicht nicht ausreichend vorhandenen Homogenität – vom Markt gedrängt wird. Auch die Ausnahmeregelungen für KleinzüchterInnen sind aus Grüner Sicht unzureichend.
Stattdessen sollen Konzerne gestärkt werden, die ein Interesse an einem auf wenige, aber hochprofitable Sorten beschränkten Saatgutspektrum haben, das allein auf hohen Ertrag gezüchtet ist. Es profitieren die Erzeuger von Hybrid-Saatgut und jene Unternehmen, die nun mit Rückendeckung der Kommission globale Märkte bedienen und dabei ein Rundumsorglos-Paket mit Saatgut, Dünger und Pestiziden anbieten.
Verprellt aber werden jene, denen es um die Erzeugung regionaler Sorten und von Saatgut für den ökologischen Markt geht. Ihnen werden zwar Sonderrechte zugestanden. So bleiben Erzeugnisse von Unternehmen registrierungsfrei, die weniger als zwei Millionen Euro Umsatz haben und weniger als zehn MitarbeiterInnen haben. Damit werden sie jedoch in eine Nische abgedrängt oder zu HobbyzüchterInnen degradiert. Dort gehören sie aber nicht hin, denn auch kleine ErzeugerInnen benötigen den vollen Zugang zum Markt. Der soll ihnen künftig verwehrt bleiben, folgt man den heute veröffentlichten Plänen der Kommission.
Wir Grüne werden uns weiter intensiv mit dieser Gesetzesvorlage beschäftigen und mit den Betroffenen austauschen. Sobald das Gesetz im Europäischen Parlament beraten wird, werden wir eine starke Stimme für den Erhalt der Biodiversität und für die Interessen der kleinen Züchterinnen und Züchter sein.
Mit freundlichen Grüßen
Gerald Häfner