Frage an Gerald Häfner von Jochen G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Welche Anstrengungen haben Sie bisher unternommen, die Elemente direkter Demokratie in EU, Bund oder Land zu stärken?
Sehr geehrter Herr Gottlieb,
herzlichen Dank für Ihre sehr relevante Frage! Ich freue mich, dass Sie sich für die direkte Demokratie in Europa stark machen!
2009 habe ich mein Mandat mit dem Anliegen angetreten die Stimme der Bürgerinnen und Bürger auf europäischer Ebene zu stärken. Nicht umsonst bin ich Mitglied im Verfassungs- und Petitionsausschuss. Zwar haben wir auf diesem Gebiet bereits große Fortschritte erwirken können, doch ist es noch ein sehr weiter Weg hin zu einem durch und durch demokratischen Europa.
Zusammen mit den von mir gegründeten Organisationen Mehr Demokratie und Democracy International habe ich die Europäische Bürgerinitiative (EBI) entwickelt und erfolgreich in den Vertrag von Lissabon eingebracht. Im Parlament konnte ich dann als verantwortlicher Berichterstatter für eine reibungslose Einführung und bürgerfreundliche Ausgestaltung dieses neuen Instruments sorgen. Seit April 2012 können jetzt eine Million Bürger ihre Anliegen direkt an die EU herantragen und eine Änderung der europäischen Gesetze anstoßen. Viele Millionen Menschen haben dieses neue Recht bereits genutzt – zum Beispiel mit einer erfolgreichen Initiative gegen die Wasserprivatisierung, die gerade diesen Montag im Europäischen Parlament angehört wurde.
Um die Wirtschaftsregierung der Eurozone zu demokratisieren, die Institutionen zu reformieren und Europa noch handlungsfähiger zu machen, brauchen wir zudem eine europaweite Debatte und eine Änderung der EU-Verträge. Deshalb setze ich mich für einen Europäischen Konvent ein, der in einem demokratischen Verfahren unter Beteiligung der Zivilgesellschaft die besten Vorschläge zur Zukunft Europas entwickelt und den Parlamenten und Bürgerinnen und Bürgern Europas zur Entscheidung vorlegt. Denn Europa wird nicht gelingen als ein Projekt von Regierungen, von Institutionen. Europa wird und kann nur gelingen als ein Europa der Bürgerinnen und Bürger.
In Deutschland hat der von mir vor 25 Jahren gegründete Verein Mehr Demokratie die Wirklichkeit extrem verändert. Als wir angefangen haben, für mehr Bürgerbeteiligung zu kämpfen, gab es lediglich in zwei Bundeländern Volksbegehren und Volksentscheide. Heute gibt es diese in allen 16 Bundesländern und dazu auch Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. Bisher wurden über 4000 Initiativen eingebracht und es gab über 2000 Abstimmungen. Denn die Demokratie kann nicht einzig auf einer einzelnen Regierungsebene durchgesetzt werden, sondern muss allumfassen auf kommunaler, regionaler, bundes- und europaweiter Ebene umgesetzt werden. Davon war und bin ich immer überzeugt gewesen und habe dies auch in den Jahren 1989 bis 2002 im Bundestag, als Mitglied der Ausschüsse Innen, Recht, Deutsche Einheit und Europa so vertreten. Die Gesetzesentwürfe aus dieser Zeit, wie z.B. „Das große Demokratiepaket“ haben dabei nachhaltig zur Stärkung von Demokratie, Bürgerrechten und Bürgerbeteiligung beigetragen.
Weitere Informationen zu meinen Ideen und meinem Demokratieverständnis können Sie auch aus diesem Videobeitrag entnehmen: http://vimeo.com/82738149
Mit besten Grüßen und Wünschen nach München
Gerald Häfner
Weitere Fragen an Gerald Häfner
(...) Ob dieses zugegebenermaßen schwache Instrument gegen die Übel des Freihandelsabkommens Wirkung zeigen wird, bleibt wohl abzuwarten. Wir werden uns jedoch nach Kräften gegen die Gefahren der transatlantischen Freihandelszone einsetzen. (...)
(...) haben Sie Dank für Ihre Anfrage. Ich bin, besonders angesichts der Intransparenz und undemokratischen Verhandlungsform, gegen das derzeitig geplante Freihandelsabkommen mit den USA. Entschieden lehne ich die drohende Unterhöhlung der bestehenden Rechtsstaatlichkeit durch die Praktiken der Schiedsgerichte ab. (...)
(...) herzlichen Dank für Ihre Frage, die ich hiermit gern bejahe. Natürlich werde ich am Montag anwesend sein. (...)
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