Frage an Gerald Häfner von Hasko H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Häfner
ich wende mich an Sie als Abgeordneten meines Wahlkreises und insbesondere als Mitglied des Rechtsausschusses.
Ihnen wird nicht entgangen sein, dass die Entscheidung des EU-Parlaments zu den so genannten Internetsperren auf gemischtes Echo gestoßen ist. Einerseits wurden gewisse Beschränkungen der "Three Strikes"-Regel sehr wohl wahrgenommen und begrüßt, andererseits scheint es nach wie vor so zu sein, dass ein Dritter allein durch bloße Unterstellung einer Copyright-Verletzung eine Internetsperre veranlassen kann.
Es ist kein Geheimnis, dass diese "Dritten" vor allem Vertreter der Medienindustrie sind, zumindest soweit es sich überhaupt um legitime Interessenvertreter und nicht um Trittbrettfahrer handelt. Der Medienindustrie werden hier Mittel in die Hand gegeben, ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, die andere Industrien nicht zur Verfügung haben. Man stelle sich vor, ein Automobilhersteller könnte das Zündschloss Ihres Wagens austauschen, weil er unterstellt, Sie ließen zu oft andere in Ihrem Auto mitfahren! Das geht selbstverständlich nicht. Selbstverständlich? Die verbreitete Befürchtung ist, dass für den Internet-Zugang in Zukunft solche Regeln gelten sollen.
Meines Erachtens stellen solche Perspektiven die bürgerlichen Freiheiten in Frage, zumal das Internet mittlerweile einen hohen Stellenwert in der Ausübung bürgerlicher Rechte einnimmt. Nehmen Sie diese Plattform zum Beispiel. Darf mir (oder Ihnen!) der Zugang dazu ohne richterlichen Beschluss entzogen werden? Betrifft dies nicht Fragen der Grundrechte nach politischer Betätigung?
Gerne würde ich Ihre Meinung zu diesen Punkten erfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Hasko Heinecke
Sehr geehrter Herr Heinecke,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir lehnen die sogenannte "Three Strikes"-Regel ab, da wir diese "französische Lösung" für einen viel zu weitreichenden Eingriff in die Privatsphäre halten und als rechtsstaatlich höchst problematisch erachten.
Die Kappung des Internetanschlusses und damit der Ausschluss von der Telekommunikation ohne ein rechtsstaatliches Verfahren ist eine unverhältnismäßige Sanktion und es droht eine systematische Überwachung der Internetaktivitäten. Die freiwillige Weitergabe von Kundendaten durch den ISP ist zudem mit dem Datenschutz nicht vereinbar. Aus unserer Sicht ist es vielmehr an der Zeit, nach konstruktiven Lösungen zu suchen, damit einerseits Künstlerinnen und Künstler für ihre Werke im Netz angemessen entlohnt werden, andererseits TauschbörsennutzerInnen nicht unnötig kriminalisiert werden. Wir sehen pauschale Vergütungsmodelle wie die Kulturflatrate als Möglichkeit, zu einem fairen Interessensausgleich zu kommen.
Die Verwehrung des Zugangs zum Internet verstößt auch nach meinem Erachten gegen das Grundrecht auf politische Teilhabe und gilt es daher in jedem Falle abzulehnen. Meine Partei hat sowohl im EP wie auch im Deutschen Bundestag immer darauf hingewirkt, dass es nicht zu diesem Sanktionsverfahren kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Gerald Häfner