Frage an Gabriele Heise von Julian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Thema Flüchtlingskrise: Wo sieht die FDP einen Lösungsansatz und wie würde dieser lauten?
Thema Wirtschaft: Befürwortet die FDP unser existierendes Modell des Kapitalismus und wenn ja, warum?
Danke im Vorraus.
Sehr geehrter Herr S.,
herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte.
Frage 1: Flüchtlingskrise
Eine einfache Lösung für die Flüchtlingskrise gibt es leider nicht.
Langfristig müssen wir auf internationaler Ebene daran arbeiten, dass sich die Situation der Menschen vor Ort verbessert. Die Beseitigung der Fluchtursachen ist die beste Möglichkeit, den Flüchtlingen wieder eine Perspektive in ihren Heimatländern zu geben. Mit Blick auf die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien bedeutet dies, dass wir, um den Konflikt zu entschärfen, auch mit unangenehmen Partnern verhandeln müssen - wie der Türkei, Russland, Saudi-Arabien, dem Iran und weiteren Akteuren in der Region. In den Flüchtlingslagern in der Türkei, dem Libanon und Jordanien müssen für die dort lebenden Menschen sichere und menschenwürdige Zustände geschaffen werden. Hier ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert, die die Hilfsgelder, die in den letzten Jahren dramatisch gekürzt worden sind, schnell wieder deutlich aufstocken müssen. Jeder Euro, der dort investiert wird, ist gut angelegt und wir mittelfristig viel Geld sparen, das sonst in den europäischen Staat einschließlich Deutschlands für die Versorgung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen ausgegeben werden müsste.
Mittelfristig müssen wir versuchen, eine europäische Lösung zu finden (Einführung von Länderkontingenten), auch, wenn diese Lösung zunehmend schwieriger wird.
Kurzfristig brauchen wir einen wirksamen Schutz der europäischen Außengrenze durch Aufbau und Ausbau eines europäischen Grenzschutzsystems (Frontex). Außerdem müssen die schon beschlossenen sog. Hotspots (Aufnahmezentren), vor allen Dingen in Griechenland, schnell aufgebaut werden. Niemand darf mehr in die EU einreisen dürfen, ohne sich direkt vor Ort registrieren und überprüfen zu lassen. Wer nach europäischem Recht keinen Anspruch auf Asyl und Schutzgewährung hat, ist abzuweisen.
Da der Flüchtlingsstrom vor allem nach Deutschland weiter anhält (bis jetzt sind rund 100.000 Flüchtlinge in diesem Jahr über die österreichisch-bayerische Grenze gekommen) und eine Einigung auf europäischer Ebene, zumindest zeitnah, nicht in Sicht ist, brauchen wir auch nationale Maßnahmen. Dazu gehört vor allen Dingen, dass geltendes Recht wieder angewendet wird. Seit September sind die Regelung des sog. Dublin-III-Abkommens, wonach Flüchtlinge sich dort zu registrieren und ihren Antrag auf Asyl zu stellen haben, wo sie in ein sicheres Land kommen, de facto außer Kraft gesetzt, obwohl sie nach wie vor gelten und zu beachten sind. Was von Kanzlerin Merkel als ein Akt der Humanität gedacht war, ist zu einem dauerhaften Rechtsverstoß geworden, der nicht hinnehmbar ist.
Die Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittstaat kommen, müssen auch dorthin zurückgeschickt werden.
Dazu ist erforderlich:
- die Errichtung von Registrierungszentren unmittelbar an der dt. Grenze, wo die Flüchtlinge sofort registiert und überprüft werden und wo bereits über ihren Antrag auf Asyl bzw. Schutzgewährung nach internat. Recht entschieden wird
- eine drastische Verkürzung der Asylverfahren auf wenige Tage, vor allen Dingen für die, die aus sicheren Herkunftsländern kommen oder aus Ländern mit geringer Bleibeperspektive
- eine konsequente Abschiebung derjenigen, die keinen Anspruch auf Asyl oder Schutzgewährung haben.
Darüber hinaus wollen wir:
- eine Verteilung auf die Kommunen, die die Hauptlast zu tragen haben, nur der Flüchtlinge, die anerkannt sind
- Umstellung vom Geld- auf Sachleistungen
- Gewährung eines für die Dauer des Konflikts im Heimatland beschränkten subsidiären Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen (statt sie in ein langwieriges und aufwendiges Asylverfahren zu zwingen, das nicht für Bürgerkriegsflüchtlinge vorgesehen ist) mit der klaren Ansage, dass sie Deutschland grundsätzlich wieder verlassen müssen, wenn der Fluchtgrund wegfällt.
- parallel dazu Schaffung eines Einwanderungsrechts mit klaren Vorgaben, wer unter welchen Bedingungen und mit welchen Qualifikationen zu uns kommen kann bzw. - wenn er als Flüchtling gekommen ist und der Fluchtgrund wegfällt - hier bleiben kann
Und schließlich, um diejenigen, die bereits jetzt bei uns als Flüchtlinge untergekommen sind, zumindest für die Dauer ihres Aufenthaltes zu integrieren:
- Aufhebung von Arbeitsverboten und Restriktionen, damit Flüchtlinge schnell ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können
- verpflichtende Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen,
- Ausbau des Angebots an Sprachkursen und bessere Differenzierung nach Vorbildung
- betriebliche Praktika bereits während der Dauer des Integrations- und Sprachkurses zulassen (vormittags Kurs, nachmittags Praktikum in einem Betrieb, um schnell mit der hiesigen Arbeitswelt vertraut zu werden und feststellen zu können, ob und welche Qualifiationen der einzelne Flüchtling mitbringt, auf die ggf. aufgebaut werden kann).
Das sind stichwortartig die Maßnahmen, die wir für richtig erachten. Ausführlicher steht dies alles in unserem Flüchtlingspapier, das wir am 05.01. auf unserem Parteitag beschlossen haben und das Sie auf der Homepage des Landesverbandes unter www.fdp-bw.de finden.
Frage 2: Kapitalismus
Ja, wir befürworten das existierende Modell des Kapitalismus und der sozialen Marktwirtschaft. Es hat uns allen Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität gebracht, die es zu sichern und weiterzuentwickeln gilt. Denn verteilt werden kann nur, was vorher erwirtschaftet worden ist. Deshalb brauchen Unternehmen und Unternehmer Rahmenbedingungen, die ihnen Freiheit lassen, nicht Regulierungswut und Ordnungswahn. Für uns ist nicht der Staat stark, der seine Bürger an der Hand durchs Leben führt und rundum versorgt, sondern der Staat, der die Hand reicht, wenn es erforderlich ist. Genau das ist auch Kern der sozialen Marktwirtschaft, die geprägt ist von Eigenverantwortung und Freiheit auf der einen, Solidarität in Notfällen auf der anderen Seite. Alles andere führt zu Unfreiheit, Ungerechtigkeit und kollektiver Armut - die Situation in vielen sozialistischen Staaten ist ein Beleg dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Heise
(Kandidatin der FDP in WK Stuttgart III)