Frage an Gabriele Heise von Christian B. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Heise,
ich habe auf Ihren Wahlplakaten das Moto "Motor: FDP" gelesen.
Können Sie mir erklären was Sie persönlich darunter verstehen.
Des weiteren habe wurde auf einem anderen Plakat die Aussage getroffen das Sie als FDP meine Daten im Internet schützen wollen.
Dazu hätte ich einige Fragen:
1.) Wie sieht Ihre Vorstelllungen vom Schutz meiner Daten im Internet aus?
2.) Wieso übermittelt mein Arbeitgeber immernoch meine gesammelten Arbeitgeberdaten an die Elena Datenbank, obwohl die FDP bereits seit über 1,5 Jahren in der Regierung ist?
3.) Wie stehen Sie zur aktuellen bzw. zukünftigen Volkszählung?
4.) Wie stehen Sie zum Quickfreeze wie von der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberg vorgeschlagen?
Mit freundlichen Grüßen Christian Brugger-Burg
Sehr geehrter Herr Brugger-Burg,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Darauf nachfolgend meine Antworten:
"Motor: FDP":
Dieses Motto macht für mich deutlich, dass die FDP die treibende Kraft ist, die die Politik im Land auf die Zukunft ausrichtet und tatkräftig dazu beiträgt, dass Baden-Württemberg da bleibt, wo es ist: vorne.
Datenschutz:
ad 1.) Ich sehe zunächst einmal im Internet und seinen Möglichkeiten grundsätzlich einen großen Nutzen und bin deshalb auch dafür, dass die Freiheit im Internet erhalten bleibt. Allerdings bringt jede Freiheit auch die Gefahr von Missbrauch mitsich. Das ist weniger ein Risiko der Technologie an sich als des verantwortungslosen Umgangs der Menschen mit ihr. Deshalb ist auch jeder Einzelne gefordert, mit den Möglichkeiten, die das Internet bietet, verantwortungsbewusst umzugehen. Das gilt u.a. auch für die Entscheidung darüber, welche Daten jeder einzelne von sich im Netz einstellt und preisgibt. Es ist aus meiner Sicht nicht Sache der Politik, vorzuschreiben und zu kontrollieren, mit welchen persönlichen Daten sich jemand im Internet "darstellt". Wichtig ist mir, dass wir - statt eine de-facto-Zensur, z.B. durch Internetsperren, einzuführen - beim Medienschutz verstärkt auf den Erwerb von Medienkompetenz, gerade von Kindern und Jugendlichen, setzen. Allerdings: wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, dass es Missbrauchsmöglichkeiten gibt. Grundsätzlich darf daher Online nichts anderes gelten als Offline: rechtswidriges und strafbares Verhalten muss nach Möglichkeit verhindert und bestraft werden. Deshalb bin ich dafür, dass rechtswidrige und strafbare Inhalte, die über das Internet verbreitet werden, gelöscht und nicht nur gesperrt werden. Die Verantwortlichkeit des Einzelnen für Handlungen Dritter im Internet muss klarer als bisher geregelt werden, insoweit bedarf es einer Neufassung des Telemediengesetzes. Und schließlich: das Recht auf Anonymität im Internet muss gewahrt sein. Eine ständige Verfolgbarkeit der Schritte im Internet muss ausgeschlossen werden - auch, wenn dies technisch schwierig sein mag.
ad 2) Die FDP hat sich im Bund wie im Land klar dafür ausgesprochen, ELENA wieder abzuschaffen. Daten aus dem Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis jedes Bürgers werden hier auf Vorrat gespeichert, ohne dass absehbar ist, ob diese Daten tatsächlich jemals benötigt werden. Das ist unverhältnismäßig, abgesehen davon, dass damit auch für Arbeitgeber ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand verbunden ist. Leider blockt die Union als größerer Koalitionspartner derzeit noch ab. Um das Gesetz zu ändern bzw. wieder abzuschaffen ist eine Mehrheit im Bundestag erforderlich, die die FDP alleine leider nicht hat. Aber wir werden an diesem Thema dran- bleiben und - sollte sich im Bund nichts rühren - auf Landesebene für eine entsprechende Bundesratsinitiative weiter kämpfen.
ad 3) Ich stehe der im Mai 2011 anstehenden Volkszählung kritisch gegenüber. Das Ziel, über aktuelle Bevölkerungsstatistiken zu verfügen, von denen ja Einiges abhängt (z.B. Zahlungen im Zuge des Länderfinanzausgleichs oder auf EU-Ebene), halte ich zwar grundsätzlich für erstrebenswert, finde aber den Weg, den Deutschland mit dem Zensus-Gesetz als Grundlage für die Volkszählung gehen will, nicht in allen Teilen gelungen. Anders als bei der letzten Volkszählung dürften die vorhandenen Daten, die über die Bevölkerung vorliegen, insbesondere bei den Meldeämtern, heute aktueller und weniger fehlerbehaftet sein. Mit Vergabe der einheitlichen Steuernummer 2007 flossen damals Fehldaten, die auftauchten, an die Ämter zurück, so dass eine Bereinigung der Register möglich war. Deshalb stellt sich für mich schon die Frage, ob tatsächlich eine umfassende Erhebung der Daten überhaupt erforderlich ist, um die Register zu aktualisieren.
Darüber hinaus habe ich in einigen Punkten Probleme mit dem vorgeschriebenen Verfahren:
- Die Datensätze werden von Meldeämtern, Arbeitsagenturen u. Behörden zuerst von den zuständigen Landesämtern gesammelt und dann an das Bundesamt für Statistik weitergeleitet - ohne Anonymisierung.
- In einigen Sonderbereichen (Gefängnisse, Altenheime etc.) sind nicht die Betroffenen, sondern die Anstaltsleitungen auskunftspflichtig, die Betroffenen erhalten lediglich eine Info über die Herausgabe ihrer Daten;
- Die Angaben werden mit Personenkennziffern verknüpft. Das halte ich für heikel. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem sog. "Volkszählungs-Urteil" von 1983 festgestellt, dass eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger auch in der Anonymität statistischer Erhebungen unzulässig ist und gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Der Gesetzgeber bewegt sich mit dem für die jetzige Volkszählung vorgeschriebenen Verfahren auf einem ganz schmalen Grad.
Schließlich sind die für die Volkszählung 2011 veranschlagten Kosten mit EUR 750 Mio. sehr hoch. Nur ein Drittel davon trägt der Bund, die Kommunen werden damit über Gebühr belastet.
ad 4) Das "Quickfreeze" ist nichts anderes als ein Kompromiss zwischen FDP und CDU, die am liebsten eine umfassende Vorratsdatenspeicherung einführen würde. Ich wage aber zu bezweifeln, dass das "Quickfreeze" tatsächlich etwas bringen wird. Da es nur fallweise ein "Einfrieren" von Verdachtsdaten auf Antrag der Strafverfolgungsbehörde erlaubt, funktioniert es nur bei ganz aktuellen Anlässen, die dann aufgenommen werden. Die Strafverfolgungsbehörden müssen also quasi schon im Vorfeld wissen, dass eine Straftat konkret bevorsteht, sonst bringt die Aufzeichnung nichts. Anders wäre es nur, wenn der Staat ständig davon ausgeht, dass Straftaten bevorstehen und damit ständig auf die "Aufnahme-Taste" drückt, um strafrechtlich relevante Daten erhalten zu können. Damit würde er jede Internet- und Telekommunikationsnutzung per se als verdächtig einstufen. Das würde zu einem Orwellschen Überwachungsstaat führen, der gerade nicht gewollt ist, zumindest nicht von der FDP. Daher würde ich es begrüßen, wenn die Justizministerin tatsächlich, wie von ihr auch ursprünglich beabsichtigt, abwarten würde, was mit der EU-Richtlinie, nach der die Daten gespeichert werden müssen, weiter geschieht, statt sich jetzt auf Kompromisse, die in der Praxis wenig bringen werden, einzulassen.