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Gabriele Groneberg
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Frage von Rainer W. •

Frage an Gabriele Groneberg von Rainer W. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Groneberg,
Die Europäische Union muss auf einem demokratischen Fundament aufgebaut werden.

In Deutschland wurde mit einer Mehrheit von 569 JA-Stimmen, 23 NEIN-Stimmen und 2 Enthaltungen im Bundestag die Europäische Verfassung ratifiziert. In Frankreich und in den Niederlanden gab es dagegen während der dortigen Referenden eine deutliche Ablehnung durch das Volk.

Ich meine, dass ein wichtiger Grund für das Scheitern des Verfassungsvertrags das fehlende Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine abgehobene EU-Politik ist.

Unzweifelhaft steht Europa vor großen Herausforderungen, die nur auf der Basis eines neuen Vertrages gelöst werden können. Eine so tief greifende Reform aber kann nur mit der ausdrücklichen Beauftragung durch die Bürgerinnen und Bürger gelingen!

A ) Erläutern Sie bitte kurz Ihre Einstellung zu diesem Thema.

B ) Sind Sie bereit in der kommenden Legislaturperiode persönlich und tatkräftig die Forderung zur Einleitung eines wirklich demokratischen Konvents- und Ratifikationsverfahrens zu unterstützen, für einen Vertragsentwurf dem die Menschen als akzeptablem Kompromiss vertrauensvoll zustimmen können. Das Verfahren soll aus folgenden Schritten bestehen:

1. Wahl der Konventsmitglieder direkt durch die Bürger.
2. Konventsverfahren: Der neue Konvent tagt und entscheidet öffentlich
3. Entscheidungsalternativen: Der Konvent entwickelt als Zwischenergebnis grundsätzliche Alternativentwürfe. In geeigneten Verfahren (z.B. Bürgerkonferenzen, Bürgergutachten, Befragungen oder Abstimmungen) werden diese Alternativen öffentlich debattiert.
4. Referendum über das Konventsergebnis zeitgleich in allen Mitgliedsstaaten.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wördehoff,

für Ihre Anfrage zur Verfassung der Europäischen Union danke ich Ihnen.

Zu A)

Ich persönlich finde es sehr bedauerlich, dass in Frankreich und in den Niederlanden die Europäische Verfassung bei den Referenden keine Mehrheit finden konnte. Bei den Kampagnen in diesen Ländern standen allerdings Probleme im Vordergrund, die sich aus der Globalisierung und der _gegenwärtigen_ EU-Politik ergeben. Leider wurden selten die Inhalte des Verfassungsvertrages sachlich diskutiert, sondern eher Urteile über die gegenwärtigen Verhältnisse auf die Verfassung projiziert. Sehr schade finde ich, dass dem Verfassungsvertrag mit so viel Misstrauen begegnet wurde. Dabei hätte die neue europäische Verfassung die notwendigen erheblichen Fortschritte für die Handlungsfähigkeit der EU, für ihre Transparenz, Bürgernähe und Verständlichkeit sowie für den Grundrechteschutz ihrer Bürgerinnen und Bürger gebracht. Die demokratische Legitimität wäre gesteigert und die parlamentarische Kontrolle erhöht worden, da einerseits das Europaparlament deutlich gestärkt worden wäre und andererseits die nationalen Parlamente erstmals die Möglichkeit zur direkten Mitwirkung auf europäischer Ebene erhalten hätten.

zu B)

Die Verfassung liegt nun auf Eis. Sollte das Paket wieder aufgeschnürt werden, muss man über Änderungen nachdenken. Direkte Wahl der Konventsmitglieder hört sich überzeugend an, aber man muss festhalten, dass auch die Vertreter des Konvents demokratisch legitimiert waren – wenn auch mittelbar, wie dies meist in repräsentativen Demokratien der Fall ist. Überhaupt muss man diesen Aspekt auch unter Praktikabilitätsgesichtspunkten betrachten, denn ein Entscheidungsfindungsprozess unter 25 Mitgliedsstaaten ist ein aufwändiger Prozess. Ob der Konvent auf andere Weise zustande kommen sollte oder nicht, darauf möchte ich im Moment nicht weiter eingehen.

Wichtig ist mir allerdings die auf die Diskussion zur Einführung des Referendums zur EU-Verfassung einzugehen:

Denn tatsächlich verdeckt die Debatte über ein Referendum zur Europäischen Verfassung die von der SPD seit vielen Jahren vertretene Position, die plebiszitären Elemente im Grundgesetz _insgesamt_ zu stärken und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten zur direkten Demokratie zu verschaffen. Das entspricht auch dem Programm der Bundesregierung. Wir haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dazu entsprechende Initiativen eingebracht, die in der Vergangenheit aber jeweils von der Opposition abgelehnt wurden.

Zuletzt hatten sich die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen, Franz Müntefering und Krista Sager, Ende Oktober 2004 an die Opposition gewandt, und ihr Verhandlungen über einen Gesetzentwurf zur Aufnahme von Elementen direkter Demokratie in das Grundgesetz angeboten. Die FDP hatte bereits Dialogsbereitschaft und grundsätzliche Zustimmung signalisiert. Da aber CDU und CSU auch über diese Frage zerstritten sind, hatte Frau Merkel sich einem Gespräch verweigert. Die Union blockiert damit die Einführung von mehr Elementen direkter Demokratie in unser Grundgesetz.

Die SPD lässt sich ihre Vorreiterrolle in Sachen größerer Bürgerbeteiligung nicht streitig machen. Wir sind weder zu faulen Kompromissen noch zu populistischen Einzelfalllösungen bereit: Wenn wir weiterhin am Ziel festhalten wollen, die direkte Demokratie in Deutschland zu stärken, dann dürfen wir uns nicht ausschließlich auf ein punktuelles Referendum zur Europäischen Verfassung konzentrieren. Das wäre verfassungsrechtlich höchst bedenklich und letztlich eine Täuschung der Bürgerinnen und Bürger. Denn ein wirklicher Zugewinn an direkter Demokratie wäre es keineswegs, wenn die Menschen alle Jubeljahre die Gelegenheit zu einem Referendum in EU-Angelegenheiten hätten, während sie auf andere Entscheidungen, von denen sie viel stärker unmittelbar betroffen sind, weiterhin nur wenig direkten Einfluss ausüben könnten.

Direkte Demokratie darf nicht auf singuläre Ereignisse beschränkt bleiben. Sie braucht Substanz in unserer täglichen Verfassungs- und Staatspraxis. Unsere Gesetzesinitiativen dazu liegen seit der vergangenen Legislaturperiode vor.

Daran wird die SPD weiter arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Gabriele Groneberg