Welche Vorgaben gibt es in der EU, so dass Mindestlöhne auch an Arbeiter oder Arbeiterinnen auch tatsächlich ausgezahlt werden?
Arbeitsverleih-Firmen bringen Menschen aus Bangla Desh und Indien nach Portugal. Die Menschen arbeiten dort für einen Lohn in Höhe von 3,50 €. Von diesem Geld müssen sie die Hälfte an die Arbeitsverleiher zahlen. Dies berichtet die Arte Reportage „Durstige Avocados“ (Monoculture. L’avocat, une culture trop gourmande en eau.) von Gordian Arneth in Redaktion von Frederic Ulferts, 2021.
Der Mindestlohn in Portugal beträgt laut EU-2020-Reader des BMAS 635 € im Monat, die nach portugiesischem Recht 14 Mal im Jahr gezahlt werden müssen. Das entspricht bei 12 monatlichen Zahlungen 740 €.
Um auf den portugiesischen Mindestlohn von 635 € zu kommen müssten die Menschen dann 98 Stunden pro Woche arbeiten, das sind 14 Stunden pro Tag.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Bitte entschuldigen Sie meine verzögerte Antwort.
Ich teile Ihre Empörung über die schlechte Entlohnung der Erntehelfer*innen und vieler anderer Leiharbeiter*innen in der EU. Das ist übrigens nicht nur in Portugal ein Problem, sondern auch bei uns in Deutschland. Deswegen habe ich mich 2017 gefreut, als in Deutschland bessere Regeln für Leiharbeiter*innen auf dem Weg gebracht wurden, nach denen Leiharbeitnehmer*innen nach 9 Monaten grundsätzlich den gleichen Lohn wie das Stammpersonal erhalten müssen.
Gute nationale Initiativen sind richtig, aber ich halte europäische Maßnahmen langfristig für effektiver. Wir haben es bei dem Thema Leiharbeit mit grenzüberschreitend tätigen Firmen und Agenturen zu tun, die im Zweifel Schlupflöcher zwischen einzelnen nationalen Regeln finden.
Deshalb war die Überarbeitung der EU-Entsenderichtlinie ein guter Schritt, weil europäisch sichergestellt wird, dass entsandte Leiharbeitnehmer*innen genauso behandelt werden wie im Inland beschäftigte Leiharbeitnehmer*innen. Für grenzüberschreitend tätige Leiharbeitsfirmen gelten dieselben Vorschriften wie für nationale Leiharbeitsunternehmen. Außerdem verpflichtet die überarbeitete Entsenderichtlinie Entleiher, die Zeitarbeitsunternehmen beauftragen, über die geltenden Löhne und Arbeitsbedingungen zu informieren. Dazu zählen: Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Feiertage, gesetzliche Feiertage, Entlohnung, Gleichbehandlung und Diskriminierung.
Zusätzlich gilt dank der EU-Leiharbeitsrichtlinie gilt das Gebot der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmer*innen und der Stammbelegschaft des Entleihers. Im Jahr 2008 wurde die Richtlinie mit dem Ziel verabschiedet, Leiharbeitnehmer*innen zu schützen, die Qualität der Leiharbeit durch Gewährleistung der Gleichbehandlung zu verbessern und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Allerdings sehen wir, dass viele Menschen weiterhin ausgebeutet werden. Sie sprechen in Ihrer Anfrage die Situation von Menschen an, die von außerhalb der EU zu uns kommen. Auch diese Menschen und ihr Recht auf ein Leben und Arbeiten in Würde muss bei der Überarbeitung der Leiharbeitsrichtlinie berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund haben wir als sozialdemokratische Fraktion die Kommission aufgefordert, einen Aktionsplan zur Überarbeitung der Leiharbeitsrichtlinie vorzulegen, um hier wichtige Verbesserungen vorzunehmen. Wir wollen gewährleisten, dass Saisonarbeiter*innen und mobile Arbeitnehmer*innen mit befristeten Verträgen mit Leiharbeitsfirmen oder jeder anderen Art von Arbeitsmarktvermittlern menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der EU vorfinden. Nur so können wir wirklich sicherstellen, dass alle Arbeitnehmer*innen in der EU gleich gut behandelt werden!
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Gaby Bischoff