Frage an Gabriele Bischoff von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe
Sehr geehrte Frau Bischoff,
ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meine gewählte Abgeordnete mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann
Sehr geehrter Herr Wehrmann,
vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 09.03. März 2020.
Gegenwärtig erleben wir eine humanitäre Krise an den Außengrenzen der EU. Grundsätzlich betrifft das die unmenschlichen Bedingungen in den Aufnahmelagern und Unterkünften einiger Mitgliedstaaten sowie die zunehmende Gewalt gegen Schutzsuchende und Helfende. Viele sprechen von „Flüchtlingskrise“ oder „Migrationskrise“. Das ist falsch. Ich empfinde die aktuellen Entwicklungen an der türkisch-griechischen Grenze als eine Krise der Menschlichkeit. Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten konnten sich auf keine nachhaltige Lösung einigen.
Damit verschärfen sie täglich die unmenschlichen Zustände auf den griechischen Inseln wie Lesvos, Samos, Chios, Kos oder Leros. Eine angemessene humanitäre Hilfe durch eine sichere Unterbringung, die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Trinkwasser oder medizinische Versorgung findet nur unzureichend statt. Auch die zunehmende Gewalt gegen Schutzsuchende, freiwillige Helfende, Journalist*innen und Personal von internationalen Organisationen, wie dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR muss sofort unterbunden werden.
Die nationalen Regierungen schauen bei der systematischen Verletzung der Menschenwürde weg und ignorieren dadurch, unsere demokratischen Grundwerte. Daher finde ich es falsch, dass sich die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, während ihres Besuchs vor Ort bei der griechischen Regierung als „Schild“ Europas bedankt hat ohne auf die Verletzungen europäischer und internationaler Rechte einzugehen.
Die konservative Regierung von Kyriakos Mitsotakis verletzt systematisch rechtsstaatliche Grundsätze. So wurden per Erlass für mindestens einen Monat keine Asylanträge angenommen, Antragsteller*innen inhaftiert und dann ohne ordentliches Verfahren abgeschoben. Griechenland ist, wie alle EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, alle nationalen, europäischen und internationalen Gesetze und Abkommen einzuhalten. Dazu gehört die Verpflichtung, Schutzsuchenden legalen Zugang zum Hoheitsgebiet und einem Asylverfahren zu gewähren.
Deshalb stimme ich vollkommen mit dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) überein, dass die Mitsotakis-Regierung sein Asylsystem und damit geltendes Recht nicht aussetzen darf - auch nicht zeitlich begrenzt. Ich erwarte von der Europäischen Kommission, ihren Pflichten als Hüterin der europäischen Verträge und Grundrechte nachzukommen und die Umsetzung von geltendem europäischem Recht in Griechenland - wie in allen anderen Mitgliedstaaten - zu garantieren. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich dafür auch weiterhin einsetzen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Bischoff