Frage an Gabriela Schimmer-Göresz von U. S. bezüglich Familie
Hallo Frau Schimmer-Götesz,
aktuell fordern (fast) alle Parteien Kita-Plätze kostenlos zu machen.
Ich persönlich betrachte das mit gemischten Gefühlen, da mir das letztlich vor allem als "Belohnung" für Doppelverdiener-Eltern gedacht zu sein scheint - durch die "maßvolle" Lohnentwicklung der letzten 20, 30 Jahre ist in sehr vielen Familien inzwischen ein Doppelverdienst notwendig geworden.
Wie stehen Sie, wie steht die ÖDP allgemein, zu der allgemein propagierten Forderung, KiTa-Gebühren abzuschaffen?
Ich freue mich auf Ihre Antwort. Mit einer "kurzen, knackigen" Antwort in Bälde wäre ich sehr zufrieden.
Freundliche Grüße,
Udo S.
Sehr geehrter Herr Siegemund,
die ÖDP verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz. Wir favorisieren die Subjektförderung vor der Objektförderung, d.h. wir wollen das Geld für einen Krippenplatz (geschätzte 1.000 Euro pro Monat und Kind) den Erziehenden/Alleinerziehenden als abgabenpflichtiges Erziehungsgehalt (Pflegegehalt) zur freien Verfügung anbieten. Unsere Überlegung ist die, dass wir eine völlige Gleichstellung der außerhäuslichen Erwerbsarbeit mit der gesellschaftlich wichtigen und unverzichtbaren familiären Fürsorgearbeit anstreben. Es liegt in der freien Entscheidung der Erziehenden (Pflegenden), für die ersten drei wichtigen Entwicklungsjahre des Kindes ganz oder teilweise aus dem Erwerbsarbeitsleben auszuscheiden oder eine Tagesmutter anzustellen oder einen Platz in einer Betreuungseinrichtung mit einem niedrigen Betreuungsschlüssen zahlen zu können. Wir wollen damit vor allem dem Wunsch vieler Eltern nach mehr Zeit mit Ihren Kindern nachkommen und auch die kritischen Anmerkungen von Gehirn- und Beziehungsforschern ernst nehmen, wonach Kinder in den frühen Monaten/Jahren für eine gute empathische Entwicklung ganz wenig Bezugs-/Betreuungspersonen brauchen.
Wir gehen davon aus, dass dieses EZG die Gesellschaft verändern würde. Alleinerziehende würden aus der Abhängigkeit von Hartz IV befreit. Es würde der Altersarmut vorgebaut und v.a.m.
Hier der entsprechende kurze Auszug aus dem Bundespolitischen Programm:
Gewährung eines Erziehungsgehalts (EZG) für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes in Höhe der bisherigen staatlichen Subventionierung eines Krippenplatzes, um Gleichberechtigung unter den Eltern zu erreichen. Dies ist als erster Schritt zu verstehen, um der Leistung gerecht zu werden, die Eltern heute für die Gesamtgesellschaft erbringen. Das Erziehungsgehalt ist Entgelt für Kindererziehung und keine Lohnersatzleistung. Die Inanspruchnahme eines Krippenplatzes ist von den Eltern aus dem EZG zu bezahlen.
Wahl- und Entscheidungsfreiheit für Eltern, ob sie ihre Kinder selbst betreuen oder das Geld zur Finanzierung einer Fremdbetreuung ihrer Wahl verwenden wollen. Erst wenn die Eltern über das für die Kindererziehung vorgesehene Geld selbst verfügen können, entsteht die tatsächliche Wahlfreiheit, ihre Kinder nach eigenen Vorstellungen zu erziehen, wie es das Grundgesetz fordert. Die Qualität der elterlichen Kindererziehung wird dann erhöht, weil Geld- und Zeitmangel entfallen oder gemindert werden. Auch die Qualität von Kinderkrippen wird sich erhöhen, wenn Eltern selbst als Auftraggeber darauf Einfluss nehmen können.
Im Gegenzug Wegfall des Elterngeldes und der staatlichen Krippenfinanzierung sowie von Hartz IV-Leistungen, sofern diese durch die Betreuung von Kleinkindern bedingt sind.
Besteuerung des Erziehungsgehalts wie bei anderen Erwerbseinkommen auch. Familien mit geringem sonstigem Einkommen werden dadurch stärker entlastet.
Entrichtung von Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung. Beiträge zur Rentenversicherung sind nicht erforderlich, weil Kindererziehung selbst Beitrag ist und den Rentenanspruch erhöht (siehe unten).
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, sodass nach der Erziehungsphase bei Arbeitslosigkeit keine Benachteiligung entsteht.
Angebot von Fortbildung während der Erziehungsphase (z.B. zur Kinderbetreuung, im bisherigen Beruf, Sprachförderung bei Migranten).
Öffentliche Förderung von Kindergärten, deren Besuch ab dem 4. Lebensjahr aus pädagogischen Gründen allgemein zu befürworten ist.
Wegfall oder Minderung des Erziehungsgehalts, wenn der Staat im Rahmen seiner „Wächterfunktion“ nach Art. 6, Absatz 2, Satz 2 Grundgesetz wegen der Gefährdung des Kindeswohls die Betreuung und Erziehung eines Kindes ganz oder teilweise übernehmen oder organisieren muss.
Der Wegfall von Kita-Gebühren wäre für mich in erster Linie eine Leistung der Allgemeinheit für die Wirtschaft. Es würden noch mehr Mütter und Väter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und ein Überangebot an Arbeitskräften könnte die Löhne kräftig sinken lassen.
In besonderem Maße "pervers" und eltern-/kinder-feindlich stufe ich beispielsweise die Forderung der FDP in NRW nach einer 24-Stunden-Kita ein. Nicht die Familien müssen wirtschaftskompatibel gemacht werden, sondern die Wirtschaft muss familienfreundlich werden. Eltern mit Kleinstkinder sind schlicht vom Schichtdienst zu befreien.
Das war jetzt alles andere als kurz und knackig.... aber manches erklärt sich nicht in zwei Sätzen.
Beste Grüße und eine verantwortbare Wahlentscheidung.
Gabriela Schimmer-Göresz